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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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Begriffe für »Schnee«, je nach Temperatur, Farbe und Beschaffenheit. Für mich ist Schnee Schnee, und wenn ich sagen will, ob man mit dem Snowboard drauf fahren kann, hänge ich ein Adjektiv dran. In dem Weiß, das ich sehe, sehen die Eskimos also fünfzehn verschiedene Weiß, zum Fürchten …

I ch suche mir die nötigen Informationen zusammen, mache mich über Bräuche und Gepflogenheiten einer Stadt oder eines Landes schlau, beschaffe mir im Netz Bilder der schönsten Orte und Sehenswürdigkeiten, zu denen es im Zweifelsfall interessante Geschichten gibt. Ich mache daraus eine PowerPoint-Präsentation, und dann sehen wir uns alles auf dem Computer an, und ich tue so, als würde ich Beatrice wie ein erfahrener Fremdenführer durch die Straßen begleiten.
    Eingehüllt in Schichten von Wolle, um uns vor der Kälte zu schützen, haben wir den Goldenen Ring in Russland bereist, uns im riesigen Schatten des Christus hoch über Rio ausgeruht, schweigend vor dem Taj Mahal gestanden, diesem strahlend weißen Bauwerk auf rotem Sand, das ein indischer König für seine geliebte Frau hat bauen lassen, wir haben die Oper von Sidney besichtigt, uns in das Wasser des Great Barrier Reef gestürzt und in einer unvergesslichen Ecke Tokios bei einer Teezeremonie Tee getrunken, vielleicht den ersten meines Lebens.
    Wir wollen noch die Donau entlangfahren, einen isländischen Geysir besuchen, ein sizilianisches Cannolo am Strand essen, ein Schwarzweißfoto an der Seine machen, die Straßenkünstler entlang der La Rambla abklappern, die kleine Meerjungfrau umarmen, Sand von der Akropolis klauen, im Big Apple Klamotten shoppen und sie sofort im Central Park anziehen, an den Grachten Amsterdams entlangradeln, ohne reinzufallen, mindestens einen Stein von Stonehenge umschmeißen, am Rand eines norwegischen Fjords stehen und vom Wind fast fortgetragen werden, auf einer riesigen irischen Wiese liegen und glauben, die Welt bestünde nur aus Grün und Blau … Wir wollen die ganze Welt entdecken, und Beatrices Zimmer verwandelt sich dank unserer billigen Flatrate-Ausflüge in jeden erdenklichen Ort.
    »Beatrice, wo willst du im Sommer nach dem Abi hinfahren?«
    Beatrice richtet den Blick schweigend zur Decke und legt einen Finger an Nase und Mund, als müsste sie eine schwierige Aufgabe lösen.
    »Zum Mond.«
    »Zum Mond? Ein Haufen weißer Staub ohne Schwerkraft inmitten der finstersten Stille, die man sich vorstellen kann …«
    »Ja, aber dort befindet sich alles, was auf der Erde verlorengegangen ist.«
    »Was meinst du?«
    »Kennst du die Geschichte vom Rasenden Roland nicht? Da geht es um einen Ritter, der den Verstand des liebestollen Roland zurückholt, damit der wieder kämpfen kann.«
    Ich schüttele den Kopf und sehe mich als rasenden Leo, der vor Liebe den Verstand verloren hat.
    »Das macht ihr noch in der Schule. Aber es ist nur ein Märchen …«, fügt Beatrice fast traurig hinzu.
    »Und was würdest du dir zurückholen?«
    »Du?«, fragt Beatrice zurück.
    »Keine Ahnung, vielleicht meine erste Gitarre, ich hab sie in einer Pension in den Bergen vergessen und sie nie wiederbekommen, ich hing an der, auf der habe ich spielen gelernt … Oder vielleicht mein altes Moped … weiß nicht … Und du?«
    »Die Zeit.«
    »Die Zeit?«
    »Die Zeit, die ich verplempert habe …«
    »Wie denn verplempert?«
    »Mit sinnlosem Zeugs … Die Zeit, die ich nicht anderen gewidmet habe: Ich hätte so viel mehr mit meiner Mutter machen können, mit meinen Freunden …«
    »Aber du hast das ganze Leben doch noch vor dir, Beatrice.«
    »Das stimmt nicht, Leo, ich habe mein Leben hinter mir.«
    »So was darfst du nicht sagen, das weißt du doch gar nicht, du kannst noch immer gesund werden!«
    »Leo, die OP ist schiefgegangen.«
    Ich verstumme. Ich kann mir die Welt nicht ohne Beatrice vorstellen. Ich könnte die Stille nicht ertragen. Sämtliche Städte, die wir bereisen wollen, würden sofort verschwinden, sinnlose Schönheit. Alles würde seinen Sinn verlieren, weiß wie der Mond werden. Nur die Liebe verleiht den Dingen Sinn.
    Beatrice, hätten wir wie die Eskimos für den Schnee fünfzehn Arten, um »ich liebe dich« zu sagen, ich würde sie dir alle sagen.

V o r Beatrices Haus strömt die Maisonne auf mich nieder wie die Dusche nach einem Spiel mit Niko. Und als ich den Hahn zudrehe, bin ich schon bei Silvia wegen der grauenhaften, endlosen Italienisch-Wiederholung vor der Prüfung, in der der gesamte Lehrstoff des zweiten Halbjahres

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