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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
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danebengehauen. Wer weiß, was sie jetzt denkt. Der übliche Schwachmat, der es mit einer SMS versucht. Die Funkstille schleicht sich in mein Herz wie ein Maler, der alles weiß streichen und Beatrices Namen übertünchen will. Mein stummes Handy verwandelt sich in einen Schraubstock aus Schmerz, Angst und Einsamkeit, der mir die Eingeweide zerquetscht…
    Erst die Beerdigung, dann Beatrice, die nicht antwortet. Rasselnd senken sich zwei weiße Rollläden mit der Aufschrift »Durchfahrt freihalten«. Die Schotten gehen runter, und man muss Leine ziehen. Nicht weiter drüber nachdenken. Wie soll das gehen?
    Ich rufe Silvia an. Wir hängen zwei Stunden am Telefon. Sie kapiert, dass ich nur jemanden zum Reden brauchte und sagt es mir. Sie weiß immer sofort, was Sache ist, auch wenn ich über etwas anderes rede. Silvia muss im vorigen Leben ein Engel gewesen sein. Sie kriegt alles sofort mit, und bei Engeln muss das genauso sein, sonst hätten sie keine Flügel. Das zumindest behauptet die Nonne (Anna, unsere krachkatholische Klassenkameradin): »Jeder hat einen Schutzengel. Man muss ihm nur sagen, was los ist, und er weiß sofort, wo der Schuh drückt.« Das glaube ich zwar nicht, aber ich glaube, dass Silvia mein Schutzengel ist. Ich fühle mich besser. Sie hat die Rollläden wieder hochgeschoben. Wir sagen uns Gute Nacht, und ich schlafe beruhigt ein, denn mit ihr kann ich immer reden. Hoffentlich wird es Silvia immer geben, auch wenn wir erwachsen sind. Aber lieben tue ich Beatrice.
    Ehe ich einschlafe, werfe ich noch einen Blick auf das Handydisplay. Eine Nachricht! Das wird Beatrices Antwort sein: Ich bin gerettet. »Falls du nicht schlafen kannst, ich bin für dich da. S.« Ich wünschte, das S wäre ein B …

G ebt mir ein Moped, meinetwegen eine 50er, und ich hebe euch die Welt aus den Angeln. Denn es gibt nichts Besseres, als zur Schule zu kommen, und Beatrice steht mit ihren Freunden davor. Ich traue mich nicht anzuhalten, weil sie mir vor allen sagen könnte, dass sie keine Lust mehr auf meine peinlichen SMS hat. Also fahre ich nur mit flatternden Haaren unterm Helm vorbei und werfe ihr einen Blick zu, der sie trifft wie ein Amorpfeil und den nur sie versteht. Allein das gibt mir einen Wahnsinnsdrive. Wenn ich den nicht hätte, würde ich auf irgendwelchen Pornoseiten enden und mir einen runterholen. Danach bin ich allerdings noch deprimierter, und ich muss Silvia anrufen, und weil ich ihr nicht die Wahrheit sagen kann, rede ich über was anderes. Kann man über solche Sachen mit jemandem reden?
    Ein Glück, dass sich der rot strahlende Stern nach mir umgedreht hat. Sie weiß, dass ich der Verfasser der Nachricht bin, und ihr Blick hat mir bestätigt, dass ich doch nicht umsonst auf dieser Welt bin. Ich bin gerettet!
    Also fliege ich mit meinem Moped durch die von Millionen Autos verstopften Straßen, als wären sie leer. Die Luft der Welt streicht mir übers Gesicht, und ich trinke sie, als wäre sie Freiheit. Ich singe, »Du bist der erste Gedanke wenn ich aufwache«, und als ich tatsächlich aufwache, ist es bereits dunkel.
    Ziellos und ohne Zeitgefühl bin ich mit meinem fliegenden Teppich durch die Gegend gestreift. Wenn man verliebt ist, existiert die Zeit nicht. Doch meine Mutter existiert, sie ist nicht in Beatrice verliebt und stinksauer, weil sie nicht wusste, wo ich abgeblieben war. Was soll ich machen? Das ist die Liebe. Die roten Momente im Leben haben keine Uhr. Darf man fragen, wo du deinen Kopf gelassen hast? Die Erwachsenen wissen nicht mehr, wie es ist, verliebt zu sein. Wie soll man jemandem etwas erklären, an das er sich nicht mehr erinnert? Wie soll man einem Blinden die Farbe Rot beschreiben? Meine Mutter versteht nichts und verlangt außerdem, dass ich jeden Tag mit Terminator zum Pinkeln rausgehe.
    Terminator ist unser pensionierter Dackel. Er frisst, schleift seinen anderthalb Meter langen Bauch über den Boden und pinkelt Millionen von Liter. Ich gehe nur Gassi mit ihm, wenn ich keine Lust habe, Hausaufgaben zu machen, dann kann er zwei Stunden lang pinkeln, und ich habe eine Ausrede, mir Schaufenster und Mädchen anzusehen. Wer weiß, wieso sich Menschen Hunde zulegen? Vielleicht, um ihren philippinischen Hausangestellten was zu tun zu geben. Der Park ist voll von philippinischen Hausangestellten mit Hunden. Und wenn man keine philippinische Hausangestellte hat, bleibt’s an mir hängen. Tiere sind sowieso nur Statisten. Terminator kann pinkeln und sonst nichts: ein

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