Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue
Hundeleben.
Ich kann nicht schlafen. Ich bin verliebt, und wenn du verliebt bist, ist Schlaflosigkeit das Mindeste. Selbst die schwärzeste Nacht wird rot. Du hast so viele Sachen im Kopf, dass du sie am liebsten alle gleichzeitig denken würdest und das Herz Mühe hat, ruhig zu bleiben. Und seltsa merweise wird plötzlich alles schön. Du lebst dein übliches Leben, machst denselben Kram und bist angeödet wie immer. Und dann verliebst du dich, und genau dasselbe Leben wird groß und anders. Du weißt, dass du in dersel ben Welt lebst wie Beatrice, und wen kratzt es dann, ob die Prüfung in die Hose geht, das Moped einen Platten hat, Terminator pinkeln muss, es regnet und du keinen Schirm dabeihast? Es ist wurscht, weil du weißt, dass all das vorübergeht. Die Liebe nicht. Der rote Stern strahlt immer. Beatrice ist da, du trägst die Liebe im Herzen, und sie ist groß, sie bringt einen zum Träumen, und keiner kann sie dir nehmen, denn sie ist an einem tief verborgenen Ort. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll: Ich hoffe, es geht nie vorbei.
Mit dieser Hoffnung im Herzen bin ich endlich eingeschlafen. Solang es Beatrice gibt, ist das Leben jeden Tag neu. Die Liebe macht das Leben neu. Wie wahr, was ich da gesagt habe: Muss ich mir merken. Ich vergesse ständig irgendwelche bedeutsamen Dinge, die mir gerade aufgegangen sind. Das heißt, ich weiß, dass sie mir noch einmal nützlich werden könnten, aber dann vergesse ich sie, wie die Erwachsenen. Und das ist die Wurzel von mindestens der Hälfte aller Übel der Welt. Zu meiner Zeit gab es solche Probleme gar nicht. Genau. Zu deiner Zeit!
Ich sollte mir meine Erkenntnisse irgendwo aufschreiben, dann vergesse ich sie vielleicht nicht und mache nicht denselben Fehler. Ich hab ein hundsmiserables Gedächtnis. Meine Eltern sind schuld: miese DNA. Nur eine Sache vergesse ich nicht: morgen Hallenfußball-Turnierspiel.
St immt nicht. Es gibt noch etwas, das ich nicht vergesse: Beatrice hat nicht auf meine Nachricht geantwortet. Ich bin rettungslos verloren. Hüllt mich in Weiß wie eine Mumie.
G andalf ist aus Wind gemacht, er sieht aus, als würde er i m nächsten Moment davonfliegen wie ein Luftballon, und man fragt sich, wie er es schafft, Horden pöbelnder Gymnasiasten im Zaum zu halten. Aber er lächelt immer. Sämtliche Marmorböden der Schule sind mit seinem Lächeln gepflastert. Wenn man ihm über den Weg läuft, lächelt er, selbst beim Betreten der Schule, im Gegensatz zu den anderen Lehrern. Es scheint fast, als gehörte das Lächeln nicht zu ihm.
Er betritt die Klasse, lächelt und schweigt. Dann schreibt er einen Satz an die Tafel, und alle warten schon drauf. Heute ist er hereingekommen und hat geschrieben: »Denn wo dein Schatz ist, wird auch dein Herz sein.«
Das übliche Spielchen geht los.
»Jovanotti!«
»Nein.«
»Max Pezzali?«
»Nein.«
»Elisa?«
»Nein. Früher …«
»Battisti?«
»Nein.«
»Ich weiß es!«, schreie ich von hinten und breite in triumphaler Gewissheit die Arme aus. »Onkel Dagobert!«
Die Klasse wiehert los.
Auch Gandalf lächelt und schweigt. Er sieht uns an und sagt:
»Jesus Christus.«
»Da haben wir’s wieder«, rufe ich, »ohne Jesus können Sie wohl nicht.«
»Glaubst du, ich würde so rumlaufen, wenn ich ohne ihn könnte?«
Er lächelt.
»Aber was bedeutet der Satz?«
Er lächelt.
»Was meint ihr?«
»Wie Gollum, der immer sagt, ›mein Schatz‹. Der kann an nichts anderes denken, dort ist sein Herz«, erklärt die Nonne. Normalerweise sagt sie keinen Ton, aber wenn sie was von sich gibt, dann hat es Tiefgang.
»Ich weiß nicht, wer dieser Gollum ist, aber wenn du es sagst, will ich es glauben.«
Gandalf kennt Gollum nicht, kaum zu fassen, aber so ist es. Dann fährt er fort:
»Es bedeutet, dass wir in den Momenten, in denen wir an nichts zu denken glauben, an das denken, was uns am Herzen liegt. Die Liebe ist eine Art Schwerkraft: unsichtbar und allgegenwärtig. Unser Herz, unsere Augen, unsere Worte zieht es unweigerlich und ohne dass wir es merken, zu dem, was wir lieben; wie der Apfel, der vom Baum fällt.«
»Und wenn wir nichts lieben?«
»Unmöglich. Kannst du dir die Erde ohne Schwerkraft vorstellen? Oder den Raum ohne Schwerkraft? Das wäre ein einziger Autoscooter. Auch wer nichts zu lieben glaubt, liebt etwas. Und dort zieht es seine Gedanken unweigerlich hin. Der Punkt ist nicht, ob wir lieben, sondern was wir lieben. Der Mensch himmelt immer irgendetwas an: Schönheit,
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