Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
einen älteren Herrn in weißem Kittel an, der gerade Biofutter für Kleintiere ins Regal räumte. »Könnten Sie mir sagen, an wen ich mich wenden muss, wenn ich wissen möchte, ob hier eine Aushilfe gebraucht wird?«
Der Herr blickte mich hinter seinen runden Brillengläsern freundlich an. »Dann fragen Sie am besten mich. Der Laden gehört nämlich mir.«
Mein Herz tat einen kleinen Sprung. Vielleicht hatte ich ja Glück und konnte hier arbeiten. Also lächelte ich mein schönstes Lächeln. »Und? Suchen Sie zufällig jemanden?«
Dieter Thomsen (so der Name auf der Brusttasche seines Kittels) dirigierte mich zum Ende des Gangs Richtung Personalbüro. »Setzen Sie sich doch«, forderte Thomsen mich auf, auf einem wackeligen Drehstuhl Platz zu nehmen. Dann setzte er sich mir gegenüber; seine blauen Augen blitzten. Wie alt mochte er sein? Mitte sechzig, Anfang siebzig?
»Haben Sie denn schon einmal in einer Zoohandlung gearbeitet?«
Ich schüttelte bedauernd den Kopf.
»Aber Sie mögen Tiere?!«
Ich nickte und begann zu erzählen, dass ich regelmäßig den Hund meiner Nachbarin ausführte und gerade einen Modelvertrag abgelehnt hatte, weil die Firma Tierversuche durchführte.
»Hast du denn schon einmal an einer Kasse gesessen?«
Oh, jetzt waren wir schon beim Du?! Egal, Herr Thomsen war mir so sympathisch, der durfte mich ruhig duzen. Doch seine Frage musste ich leider verneinen. Ich schüttelte wieder den Kopf. Alles, was ich bislang an Joberfahrung gesammelt hatte, waren die jährliche Inventur beim Drogeriemarkt um die Ecke und gelegentliches Babysitten bei Nachbarn gewesen. Und die Runden mit dem Rauhaardackel von Frau Schmittke.
»Aber ich lerne schnell und bin zuverlässig. Und kann gut mit Menschen umgehen… äh, und mit Tieren natürlich!«, zählte ich auf und versuchte, Dieter Thomsen damit von meinen Qualitäten zu überzeugen.
»Ich würde vorschlagen, du füllst diesen Bewerbungsbogen aus und dann sehen wir weiter«, entgegnete Thomsen und kramte in der Schublade seines alten Schreibtisches, dessen linkes Bein zum Teil abgebrochen und nun auf einen Ziegelstein gestellt worden war. »Hier.«
Ich schmunzelte, als ich sah, wie vergilbt der Bogen war. Der moderte hier offenbar schon eine ganze Weile herum. Mit einem Kugelschreiber, den der Name Tierlieb zierte, notierte ich meinen Namen, meine Adresse und die Tage, an denen ich arbeiten konnte: Montag, Dienstag, Freitag ab 15 Uhr, Samstag ganztags.
Thomsen runzelte die Stirn, als er las, wo ich wohnte. »Aber Kindchen, das ist ja am anderen Ende der Welt! Da bist du doch eine Ewigkeit unterwegs. Und wenn es Herbst wird, musst du abends im Dunklen nach Hause fahren!«
Am anderen Ende der Welt… Ich grinste, denn der alte Thomsen hatte meine Situation intuitiv erfasst. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken«, versuchte ich, seine Bedenken vom Tisch zu wischen. »Ich habe immer ein Pfefferspray dabei, falls mir einer dumm kommen sollte. Außerdem halte ich das Karoviertel echt nicht für gefährlich!«
»Aber ich die Gegend, in der du wohnst, dafür umso mehr«, erwiderte Thomsen und sah mich ernst an.
Wo er recht hatte, hatte er recht. Nobodytown war abends ein ziemlich gruseliges Pflaster: In der Bahn trieben sich Betrunkene und Zugedröhnte rum, das Gefängnis Fuhlsbüttel war nicht weit, das Krankenhaus Ochsenzoll und die dazugehörige Psychiatrie auch nicht. Deshalb auch das Pfefferspray!
Während ich noch überlegte, ob ich irgendeinen Trumpf aus dem Ärmel ziehen konnte, der Thomsen heute schon zu einem Ja bewegen würde, tauchte auf einmal ein Typ im Türrahmen auf. Ein verdammt gut aussehender, wie ich feststellen musste, als ich mich aufgrund seines fröhlichen »Na, Thomsen, alles gut bei dir?« umdrehte. Mein Chef in spe erhob sich, fasste sich dabei kurz ans Kreuz, murmelte »Aua!« und ging dann auf den Typen zu. Er klopfte ihm mit der Linken herzlich auf die Schulter, während die Rechte seine Hand schüttelte. »Felix, dass du dich mal wieder hier blicken lässt. Was für eine Freude! Wie geht es dir, mein Junge?«
Ich wollte aufstehen und meinen Platz für Felix frei machen, doch Dieter Thomsen winkte ab. »Darf ich bekannt machen: Das ist Sarah« – schneller Blick aus kurzsichtigen Augen auf den Bewerbungsbogen - ». . . Sandmann, meine neue Aushilfe. Und das hier ist Felix von Hohensee, meine ehemalige Lieblingsaushilfe!«
Felix lächelte charmant und gab mir die Hand. Hm, angenehm fester Händedruck. Aber Moment
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