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Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid

Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid

Titel: Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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als ich mit gesenktem Kopf »Langenhorn« in meinen Becher murmelte.
    »Das muss dir doch nicht peinlich sein. Dort ist es schön grün, die Luft ist gut…«, fing er an, mir Nobodytown schmackhaft machen zu wollen.
    »Danke, netter Versuch, Felix, aber es ist nun mal nicht zu leugnen, dass ich am Ende der Welt wohne. Hat sogar Herr Thomsen gesagt, als er meine Adresse gelesen hat!«
    Als ich spät am Abend in meinem Bett lag und zum ersten Mal seit Langem wieder meine Leuchtsterne an der Decke anknipste, wunderte ich mich über mich selbst. Seit ich in die U-Bahn gestiegen war, war nicht eine Sekunde vergangen, in der ich nicht an Felix gedacht hatte. Alles andere war auf einmal wie weggeblasen: der neue Job, die schlecht gelaunte Bella (die heute Abend endlich einmal unterwegs war, Halleluja!!!), Dieter Thomsen, die morgige Lateinklausur.
    Vor jedes Bild schob sich wie durch Zauberhand das Gesicht von Felix: seine sanften grauen Augen mit den blauen Sprengseln, das kastanienfarbene Haar, das er genau in der richtigen Länge trug, nicht zu kurz und nicht zu lang. Der rechte vordere Schneidezahn, von dem ein winziges Stückchen abgebrochen war. Die klare Haut, der Dreitagebart, der ihn irgendwie erwachsen wirken ließ. Die breiten Schultern, die schmalen Hüften und seine langen Beine, die in einer coolen, ausgeblichenen Jeans gesteckt hatten. Seine gepflegten Hände. Und immer wieder dieses absolut umwerfende Lächeln…
    Wieder einmal wünschte ich mir eine Freundin. Keine nette Bekannte oder Klassenkameradin, sondern eine richtige, echte Freundin, der ich von Felix hätte erzählen können, ohne dass daraus ein peinliches Mädchengesprächmit albernem Gekicher werden würde.
    Aber hier in Nobodytown gab es weit und breit niemanden in meinem Alter, dem ich meine Gefühle hätte anvertrauen wollen. Hier wohnten entweder gelangweilte Hausfrauen, die den ganzen Tag lang über andere gelangweilte Hausfrauen tratschten, oder ehrgeizige Karrieremiezen, die man sowieso nie zu Gesicht bekam. Und all die Ärzte- und Anwaltstöchterlein, die in etwa so alt waren wie ich, hatten nichts anderes im Kopf als shoppen und die neuesten Stargeschichten. Genau die richtige Gesellschaft für Bella also – aber weit und breit keine Verbündete für mich.
    Ich war allein auf weiter Flur.

11
    Zum Lehmitz, Reeperbahn 22«, forderte die Frau, als sie in das Taxi stieg. Als der Wagen auf den Kiez fuhr, zog sich ihr Herz für einen Moment schmerzhaft zusammen. Es hatte eine Zeit gegeben, da war diese Gegend ihr Revier gewesen.
    Unter dem Namen Die schöne Lucy war sie im Dollhouse aufgetreten und hatte in roter Spitzenwäsche an der Poledance-Stange getanzt. Gäste hatten sich die Finger nach ihr geleckt und ihr großzügig Scheine zugesteckt. So hatte sie ihren Verpflichtungen einigermaßen nachkommen können, doch wirklich besser war ihre finanzielle Situation erst geworden, als sie diesen gutgläubigen Trottel gefunden hatte, der bereit gewesen war, sie zu heiraten.
    Gunter, Tresenkraft des Lehmitz, war ihr größter Fan gewesen. Von ihm hatte sie bei jedem Auftritt ein Trinkgeld in den Strapshalter gesteckt bekommen und er hatte sie stets mit Respekt behandelt. Wie es wohl sein würde, ihn wiederzusehen?
    Mit klopfendem Herzen betrat sie die Kneipe, Rauchschwaden schlugen ihr entgegen. Sie hob das Kinn, streckte ihre Brust heraus, atmete tief durch und setzte ihren arrogantesten Blick auf. Gunter stand wie immer hinter der Theke. Für einen Moment war es, als hätte die Zeit stillgestanden. Wie früher wurden seine muskulösen Oberarme von einem verwaschenen Muscle-Shirt mehr betont als bedeckt, doch im Laufe der Jahre waren noch einige Tattoos hinzugekommen.
    »Hallo«, sagte die Frau und baute sich direkt vor ihm auf.
    Er erkannte sie sofort. »Ich fasse es nicht – Lucy?!«, rief er und war mit einem Satz über dem Tresen. Ehe sie es sich versah, wurde sie durch die Luft geschwenkt. »Lass mich runter!«, zischte sie und Gunter gehorchte. Er hatte ihr noch nie etwas abschlagen können.
    »Was machst du hier, meine Süße?«, fragte er strahlend.
    »Ich habe einen Job für dich! Können wir irgendwo unter vier Augen reden?«
    Gunter grinste und schob sie in den hinteren Teil des Raums. Die Frau umklammerte das Bündel Geldscheine in ihrer Manteltasche.
    »Ich möchte, dass du jemanden für mich beiseiteschaffst!«, erklärte sie mit fester Stimme.
    Gunter runzelte die Stirn und fingerte eine Marlboro aus dem Päckchen. »Und um wen

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