Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
kein Grund, jemanden ermorden zu lassen«, entgegnete Leander und schwenkte seine Bierflasche. »Ich finde, wir sollten jetzt sofort die Polizei rufen oder noch besser: gleich mit Sarah aufs Revier gehen, damit sie eine Anzeige erstatten kann!«
JamieTim nickte zustimmend. Aber in mir revoltierte alles gegen den Gedanken, zur Polizei zu gehen. Da konnte ich mir gleich mein eigenes Grab schaufeln. Der Tattoo-Mann hatte schließlich nicht umsonst gedroht. Und er hatte nicht den Eindruck gemacht, als täte er so etwas zum ersten Mal. Ich konnte von Glück sagen, dass ich überhaupt noch am Leben war! Wo Bella ihn wohl aufgetrieben hatte?
»Ich weiß doch gar nicht, wer der Typ war«, wandte ich zaghaft ein. »Und denkt ihr, es wirkt besonders realistisch, wenn ich behaupte, meine eigene Stiefmutter hätte einen Auftragskiller auf mich angesetzt? Das glauben die doch nie und nimmer! Mal ganz abgesehen davon, dass er mir versprochen hat, dass mir nichts passiert, solange ich mich von Bella fernhalte. Also muss ich im Grunde nur eine Bleibe finden.«
JamieTim und Leander wechselten bedeutungsvolle Blicke. Ich war so mit mir und meinem Problem beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass mittlerweile auch Johnny D, Aleks, Julius, Ben und Sebastian die Wohnung betreten hatten. Wie lange standen sie schon dort? Hatten sie meine Geschichte mitgehört?
»Du bleibst natürlich bei uns!«, erklärte Johnny D in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, riss mich vom Stuhl und umarmte mich. »Wir lassen nicht zu, dass dir etwas passiert, nicht wahr, Jungs?« Zustimmendes Murmeln erfüllte die Küche und ich musste wider Willen kichern. Die ganze Situation war dermaßen absurd, dass ich jeden Moment erwartete, zu erwachen und in meinem Bett in Nobodytown zu liegen.
»Sebastian, bei dir ist doch noch ein Zimmer frei«, übernahm Johnny D weiter das Kommando.
Das war mir nur bedingt recht, schließlich wollte ich mich niemandem aufdrängen. Und gerade mit Sebastian hatte ich bislang nicht mehr als drei Worte gewechselt.
»Oder ist es dir lieber, wenn ich dich heute Nacht in meinen Armen halte, Prinzessin?«, flüsterte Johnny D mir schmeichelnd ins Ohr.
»Nee, lass mal gut sein«, mischte sich JamieTim ein. »Ich beziehe schnell das Bett bei Sebastian und du lässt die Pfoten von unserem Schneewittchen. Sie hat für heute genug Aufregung gehabt!« Mit diesen Worten zog JamieTim mich zu einer alten Holztruhe in seinem Zimmer und ließ mich die Wäsche auswählen. Ich entschied mich für eine dunkelgrüne Decke und begann, das Kopfkissen zu beziehen. Mit einem Mal war ich so müde, dass ich im Stehen hätte einschlafen können. Fünf Minuten später lag ich im Bett.
18
Ich gähnte, während ich in JamieTims Bademantel, dessen Ärmel ich gefühlte tausend Mal hatte umkrempeln müssen, den Herdkocher mit Espressopulver befüllte. Ich war nun schon den dritten Tag bei den Jungs und hatte allmählich das Gefühl, hier zu Hause zu sein. So gut es ging, versuchte ich, die Erinnerung an Samstagnacht und meine große Angst zu verdrängen. Es würde schon alles gut werden, wenn ich die Nerven behielt!
»Morgen«, grüßte Sebastian, mit dem ich nun ganz offiziell die Wohnung teilte, bis ich langfristig etwas anderes gefunden hatte.
»Kaffee ist gleich fertig«, entgegnete ich und schob Aufbackbrötchen in den Ofen.
Während Sebastian schweigend irgendwelche Unterlagen studierte, deckte ich den Tisch. Gleich würde Julius kommen und danach vielleicht Aleks, auch wenn der gerade Semesterferien hatte und wahrscheinlich lange schlief. Da konnte er ja auch stundenlang von seiner Lara träumen – im wirklichen Leben standen die Chancen wohl ziemlich schlecht, so ein Wesen zu finden.
Amüsiert betrachtete ich Sebastian aus den Augenwinkeln, während ich Butter, Marmelade und Käse aus dem Kühlschrank holte. Im Gegensatz zu den anderen Zwergen war er ein Spießer, wie er im Buche stand. Er arbeitete bei einer Versicherung, und das schien auf ihn abzufärben. Auch heute trug er einen hellgrau-weißen Nadelstreifenanzug mit viel zu breitem Revers und eine roséfarbene Krawatte mit Paisley-Muster. Auf dem Stuhl neben ihm stand seine schwarze Aktenmappe, gleich würde er seine Unterlagen dorthinein gleiten lassen. Diese Bewegung erfolgte, seit ich hier war, immer zur selben Uhrzeit. Ich würde das bei Gelegenheit mal stoppen, nahm ich mir vor und schnippelte Karotten und Tomaten. Während die anderen Jungs überwiegend das
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