Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
gewesen war. Wie genau er gewusst hatte, was zu tun war. Er würde bestimmt mal ein toller Arzt werden!
»Wie lange weiß Felix eigentlich schon, dass er Medizin studieren will?«, fragte ich und JamieTim grinste. »Der hat’s dir echt angetan, oder?«
Ich schaute verlegen zu Boden, was aber auch gut war, denn sonst wäre ich wohl über einen kleinen Hund gestolpert, der mir ein Stöckchen vor die Füße legte.
»Felix stammt aus einer Ärztefamilie. Dynastie kann man schon fast sagen. Der hat das alles mit der Muttermilch aufgesogen. Sein Vater ist Chef der Charité in Berlin, seine Mutter eine der gefragtesten Anästhesistinnen Deutschlands.«
Ich warf das Stöckchen Richtung Wasser, der kleine Terrier jagte begeistert hinterher. »Das klingt ja ziemlich beeindruckend. Kein Wunder, dass Felix schon so viel draufhat, obwohl er erst Zivildienst macht!«
Ob ich wohl mit Anfang zwanzig auch so zielstrebig sein würde? Ob ich überhaupt Anfang zwanzig werden würde?
Mit einem Mal wurde ich wütend. So wütend wie noch nie zuvor in meinem Leben. Wie kam diese Frau eigentlich dazu, mich töten zu wollen? Woher nahm sie sich das Recht, mir das Leben derart zur Hölle zu machen? Was hatte ich eigentlich so Schlimmes getan, dass ich in ihren Augen sogar den Tod verdiente? Wie konnte ein Mensch nur so abgrundtief böse sein?
Die Wut setzte eine ungeheure Kraft in mir frei. Ich wollte zwanzig werden! Und noch viel, viel älter! Ich wollte Tierärztin werden, vielleicht irgendwann einmal eine Familie gründen. Und das würde ich mir nicht von dieser Irren kaputt machen lassen. Wenn mein Vater nicht da war, dann war er eben nicht da. Ich konnte nicht die ganze Zeit wie das Kaninchen vor der Schlange herumsitzen und darauf warten, was dieser Hexe als Nächstes einfiel.
Damit musste jetzt endlich Schluss sein! Ich würde handeln. Ich würde Bella fertigmachen!
»Ich mach’s, JamieTim. Ich geh zur Polizei! Bella saß jetzt lange genug am Drücker. Ich dreh den Spieß um. Wird Zeit, dass ich mich wehre, ich hab schon viel zu lange gewartet!«
JamieTim sah mich erst erstaunt an – kein Wunder, nach der vielen Herumeierei in den letzten Wochen – und nahm mich dann in den Arm. »Gott sei Dank! Endlich kommst du zur Vernunft! Wir wussten ja gar nicht mehr, was wir noch anstellen sollten, um dich zu überzeugen. Komm, lass uns los, sofort! Wir bringen das jetzt hinter uns. Zur Strandperle können wir auch noch ein andermal.«
So schnell hatte ich der Elbe noch nie den Rücken gekehrt. Wenn ich das nächste Mal hierher kam, so schwor ich mir, würde ich frei sein. Und ohne Angst vor Bella!
41
Es klingelte an der Tür.
Die Frau wunderte sich. Wer konnte das sein? Es war beinahe halb elf Uhr abends.
Wer auch immer es ist, hat Pech gehabt. Um diese Uhrzeit öffne ich nicht!, dachte sie und zog sich den Bademantel fester um die Schultern. Sie hatte gerade ein Gesichtspeeling gemacht und eine Honigmaske aufgetragen – in diesem Zustand würde sie sich keinesfalls irgendjemandem präsentieren. Auch nicht einem Paketboten oder der Heilsarmee.
Es klingelte ein zweites und ein drittes Mal. Dann klopfte es an der Tür. »Bella Schönhuber? Sind Sie zu Hause? Bei Ihnen brennt Licht. Bitte öffnen Sie, hier ist die Polizei!«
Die Polizei?!
Ihr wurde heiß und kalt. Was sollte sie jetzt tun? Anscheinend hatte das Mädchen sie doch angezeigt. Und nun saß sie in der Falle.
Mit so arroganter Miene wie möglich öffnete sie zwei freundlich wirkenden jüngeren Beamten die Tür.
Die sehen doch gar nicht so Furcht einflößend aus, vielleicht kann ich sie ja um den Finger wickeln, sprach sie sich Mut zu und verfluchte gleichzeitig ihren Aufzug. Warum hatte sie die Maske auch unbedingt jetzt auflegen müssen?
Sie dirigierte die beiden Beamten ins Wohnzimmer und bot ihnen an, Platz zu nehmen. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«, fragte sie, doch die beiden schüttelten den Kopf.
»Nein, danke. Wir wollen Ihnen nur kurz einige Fragen stellen, dann sind wir auch schon wieder weg!«
Nun, das hörte sich gut an. Es klang nicht danach, als würde sie gleich verhaftet und in Handschellen und Bademantel abgeführt werden. Sie versuchte, tief durchzuatmen und sich zu entspannen. Sie war schon einmal in einer ähnlichen Situation gewesen und hatte diese mit Bravour gemeistert. Warum also nicht auch diesmal?
42
Was heißt das, Sie können nichts tun? Wieso können Sie sie nicht zu einer DNA-Probe zwingen? Ich habe Ihnen doch den
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