Weiss
Ukkola saß in seinem Büro und wusste nicht, was er tun sollte. Das Gefühl war ihm fremd. Er hielt sich bei weitem nicht für außergewöhnlich schlau, nach den Intelligenztests, denen er sich im Internet unterzogen hatte, entsprach seine Hirnkapazität dem akademischen Durchschnitt. Seine außergewöhnlichen Stärken fanden sich auf anderen Gebieten: im Lügen, Drohen, Bestechen, Erpressen und Manipulieren der Meinung von Menschen. Er bekam fast ohne Ausnahme, was er wollte. Wenn er in seiner Jugend etwas gelernt hatte, dann auf jeden Fall, dass man nichts umsonst bekam. Und dass ehrlich nicht am längsten währte, im Gegenteil, brave Schlappschwänze wurden übergangen. Gerade in diesem Moment spürte Jukka Ukkola das erste Mal seit Jahren selbst die Absätze anderer auf seinem Rücken.
Leo Kara hatte ihn mit der Waffe bedroht und erpresst. Kati Soisalo, von der er angenommen hatte, sie wäre endgültig zermürbt und gezähmt, war nun zusammen mit dem Präsidenten eines Bikerclubs nach Vittorio Veneto gereist, und Anita Arho war verschwunden. Und überdies hatte man in Europa eine großangelegte, von Interpol koordinierte Polizeioperation gestartet, die den von Dimitri Arbuzow geleiteten Menschenhändlerring und die Balkan-Route aufdecken und zerschlagen sollte. Eine schlechte Nachricht kam tatsächlich nie allein. Aus seiner Sicht ging jetzt alles voll gegen den Baum, wirklich alles.
Sein Blick fiel auf das
Katana
von Uesugi Kenshin, und sein Blut geriet in Wallung. Flennen und jammern würde er jedenfalls nicht, gottverdammich, er war schließlich der stellvertretendeChef der KRP. Er würde all seine Kontakte und seine Stellung als Vorgesetzter skrupelloser denn je ausnutzen, die Weitergabe der Ermittlungsergebnisse im Fall Soisalo an den Staatsanwalt beschleunigen und, wenn es sein musste, mit dem Flammenwerfer alle Beweise für seine Beteiligung an den Geschäften von Arbuzow und Krylow vernichten. Und dafür sorgen, dass Jonny Karlsson ins Gefängnis kam. Für Kara würde er sich etwas Besonderes ausdenken. Rache allein genügte ihm nicht, der Mann sollte leiden. Niemand bedrohte und erpresste Jukka Ukkola ungestraft.
Das Telefon hatte noch gar nicht richtig geklingelt, da meldete sich Ukkola schon.
»Du hattest gebeten anzurufen, sobald wir Ergebnisse haben«, sagte der Leiter der Ermittlungsgruppe für Straftaten auf dem Gebiet der Informationstechnik.
»Erzähl.«
»Die Festplatte sowohl deines Laptops als auch deines Computers im Büro sind gespiegelt worden, das heißt, es besteht eine Kopie auf einem anderen PC. Du hast dich zumindest ein Jahr lang in die Kopie deiner Festplatte auf dem Computer irgendeines Crackers eingeloggt. Jemand hat alles, was du getan hast, ausspioniert.«
»Ich habe doch schon gesagt, wer es war – Jonny Karlsson. Habt ihr genug Beweise gegen den Mann gefunden?«
»Nichts haben wir gefunden, das ist es ja. Wir kommen mit deinen Rechnern diesem Hostcomputer nicht auf die Spur. Wer das gemacht hat, ist ein Cracker der Weltklasse, das steht fest, ich habe noch nie gesehen …«
Ukkola legte auf und versuchte sich zu beruhigen. Zumindest hatte er jetzt eine Zielperson, auf die er sofort mit allen möglichen Waffen losgehen konnte. Eine Zielperson, die zu alledem auch noch seine Frau schon wer weiß wie lange bestiegen hatte.
***
Die Gruppe, die Kriminaloberinspektor Claes »Klasu« Nyman, Chef der Aufklärungsabteilung der KRP, aus Kollegen zusammengestellt hatte, denen er vertraute, versammelte sich im Beratungsraum »Klammer« der Abteilung für Gewaltverbrechen. Diesmal war auch der Leiter der Internen Kontrolle einbezogen worden.
Nyman lehnte seine Unterarme, die so dick wie Zaunpfosten waren, auf den Beratungstisch und schaute den Leiter der Anti-Drogeneinheit unverwandt an. »Wie ist die Lage in Hinsicht auf Ukkola?«
»Der Mann ist reif und kann gepflückt werden. Nach den Informationen, die wir von den Operatoren der Gruppe für die Telekommunikationsüberwachung bekommen haben, hat Ukkola sowohl zu Krylow als auch zu Arbuzow über zwei Jahre lang regelmäßig Kontakt gehalten.«
Als Nächster meldete sich der Kriminalkommissar zu Wort, der das gemeinsame Aufklärungs- und Analysezentrum PTR von Polizei, Zoll und Grenzwacht leitete. »Die Zollbeamten, die jedes Mal die Laster der Firma Severnaja kontrolliert haben, packen in den Verhören langsam aus. Sie wollen mit ihren Informationen einen Handel machen, zwar geben sie zu, dass sie mit Ukkola vereinbart
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