Weiss
beim letzten Flug. Der Blick auf die Silhouette der Terminalgebäude von Heathrow bewirkte, dass ihm auch ungewollt ständig die Vergangenheit durch den Kopf ging. Er verband Heathrow mit vielen glücklichen Kindheitserinnerungen: Als sie noch in Finnland gewohnt hatten, waren sie hier eingetroffen, um ihre Ferien in England zu verbringen, und als sie später in London wohnten, waren sie hier aufgebrochen, um in Finnland Urlaub zu machen. Aus irgendeinem Grund waren Vater und Mutter in den Ferien relativ gut miteinander ausgekommen.
Kara fuhr mit dem Heathrow Express in einer Viertelstunde bis zum Bahnhof Paddington und von dort mit der Metro der District Line bis zur Station East Putney. Der kurze Fußmarsch bis zum Haus der Gilmartins dauerte nicht lange. In Gedanken versunken klingelte er an der Tür des zweistöckigen edwardianischen Gebäudes und war verblüfft, als Albert öffnete. Der Mann sah müde und besorgt aus.
Kara gab Albert die Hand und legte die andere auf seine Schulter, in den zwanzig Jahren ihrer Freundschaft waren sie einer Umarmung nicht näher gekommen und würden es auch künftig nicht tun. Britische Männer in Alberts Alter umarmten so gut wie nie jemanden.
»Wie geht’s, Junge? Dich sieht man heutzutage nur, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist«, sagte Albert und schloss die Tür, als Kara in den Flur getreten war. »Hast du jetzt Urlaub? Betha und ich haben gestern gerade über Torquay gesprochen. Wollen wir nicht zusammen für eine etwas längere Zeit hinfahren? Wir stellen die Liegestühle in den Garten und schlürfen von früh bis spät Pimm’s. Auch Betha würde jetzt mehr denn je Urlaub brauchen.«
»Das hört sich gut an. Aber ich muss erst eine bestimmte Sache zu Ende bringen.«
»Musst du?«, fragte Betha, die in der Tür ihres Zimmers erschienen war.
Albert sah beleidigt aus, als Kara in ihr Arbeitszimmer ging und Betha die Tür hinter ihm schloss.
»Wir müssen uns ernsthaft unterhalten. Es bleibt nicht viel Zeit, ich muss nach Vauxhall Cross zurück. Ich bin mitten in der beschissensten Krise, in die der SIS während meiner Laufbahn geraten ist, hergekommen, um dich zu sehen«, sagte Betha, die müde und erschöpft wirkte.
»Du siehst furchtbar aus. Wie kommt deine Pumpe mit dem Stress zurecht?« Kara hörte sich besorgt an.
»Glänzend, sie schlägt wie verrückt, danke der Nachfrage.«
»Hast du etwas über den Park Royal herausbekommen?« Kara setzte sich, und sofort sprang die Katze Violet auf seinen Schoß. Aus irgendeinem rätselhaften Grund mochten die Miezen ihn, vielleicht weil er ihnen keinerlei Beachtung schenkte.
»Verdammt noch mal. Ich bin die Vizechefin des SIS, ich bekomme alles heraus, was ich will. Zumindest fast alles«, riefBetha. »Wir haben das ganze Industriegelände überprüft. Dort befindet sich nichts, wofür du dich interessieren solltest.«
»Erkläre mir nur noch, warum Kivijalka in den letzten Jahren etliche Millionen Euro an die Stiftung zur Entwicklung des Park Royal gezahlt hat, dann bin ich zufrieden«, erwiderte Kara.
Betha schnaufte, setzte sich hin und griff widerwillig nach den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. »Der größte Eigentümer der Stiftung und des ganzen Park Royal ist das Rüstungsunternehmen BAE Systems.«
»Dieselbe Firma, die seinerzeit die von meinem Vater geleitete Forschungsgruppe finanziert hat.« Kara war wie durch einen Zauberspruch plötzlich hellwach. »Gibt es bei BAE irgendeine Verbindung zu Mundus Novus?«
»Das weiß allein der Himmel. Es kann gut sein, dass BAE weltweit das Unternehmen mit dem meisten Dreck am Stecken ist. Allein schon seine Al-Yamamah-Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien wurden jahrelang untersucht, hier bei uns und anderswo in der Welt. Bis zu einem Gerichtsurteil hat man es nie gebracht, aber es scheint so, dass BAE ständig Unsummen, Milliarden Dollar, für Bestechung ausgibt. Das machen allerdings auch viele andere Großunternehmen: Siemens, Halliburton, Lockheed …«
»Laut Anita Arho wird gerade irgendein Projekt abgeschlossen, und zwar im Park Royal. Dort muss sich etwas finden.« Kara klang so, als wäre er sich ganz sicher.
Betha Gilmartin schüttelte den Kopf. »Wo willst du da suchen? Weißt du überhaupt, was für ein riesiges Gelände der Park Royal heutzutage ist? Siebenhundert Hektar, etwa zweitausend Unternehmen und vierzigtausend Mitarbeiter. Und außerdem hast du Urlaub. Birou hat dich auf mein Bitten hin aus Helsinki abkommandiert und von diesem Fall
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