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Weiss

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Titel: Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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»Meine Tochter ist vor drei Jahren verschwunden, sie wurde entführt. Gestern habe ich erfahren, dass sie hier in Vittorio Veneto lebt«, erklärte sie auf Englisch.
    Der Lehrer übersetzte es ins Italienische, die eine Frau starrte Kati Soisalo erschrocken an und die zweite betrachtete das Foto.
    »Suchen Sie allein nach Ihrer Tochter, wo ist die Polizei?«, fragte der Mann aufgeregt.
    »Mir bleibt sehr wenig Zeit, ich fürchte, dass meine Tochter von hier … weggebracht wird.« Man hörte ihr an, wie verzweifelt sie war, jetzt schauten auch die anderen Lehrer das Foto an. Hoffnung keimte bei Kati Soisalo auf, als die beiden Frauen miteinander sprachen, schwand aber sofort wieder, als ein Lehrer nach dem anderen den Kopf schüttelte.
    »Wissen Sie denn nicht, welche Schule Ihre Tochter besucht?« Die jüngste der drei Lehrer schien misstrauisch zu sein.
    »Sie benötigen Hilfe, rufen Sie um Himmels willen die Polizei an«, sagte der Mann und ging zum Telefon.
    Kati Soisalo holte Visitenkarten aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch. »Zeigen Sie das Foto Ihren Kollegen, Freunden … Rufen Sie mich an, wenn irgendjemand etwas über das Mädchen auf dem Bild weiß, egal was.«
    Sie rannte hinaus auf den Schulhof und holte ihr Handyheraus. Warum zum Teufel hatte sie das nicht bedacht, wenn schon ihr Überraschungsbesuch im Lehrerzimmer Verwunderung hervorrief, was würden die Lehrer von Vittorio Veneto dann erst denken und tun, sobald sie den Koloss Sakke Tirkkonen mit seinem Tribaltattoo erblickten. Garantiert würden sie die Polizei rufen. Hoffentlich konnte sie den Biker rechtzeitig aufhalten. Das würde freilich ihre Suche noch weiter verzögern. Ihr lief die Zeit davon.
    ***
    Der Generalsekretär von Interpol betrat Gilbert Birous Büro im Haus E des UNODC in Wien mit einem Lächeln, das an Sirup erinnerte und Zähne entblößte, gegen deren strahlendes Weiß die Deckenbeleuchtung matt wirkte.
    Gilbert Birou fühlte sich nur ein wenig erleichtert, als ihm klarwurde, dass Anthony Blake die Wahrheit über ihn nicht kannte. Die Erpresser hatten ihre Informationen über ihn noch nicht offengelegt. Er brachte die Andeutung eines Lächelns zustande, gab dem amerikanischen Meister der Vernetzung die Hand und war sich dabei schmerzlich bewusst, dass er unter anderen Umständen dessen Stellung und Beziehungen nun ungerührt ausgenutzt hätte. Aber das UNODC würde die letzte Sprosse auf Gilbert Birous Karriereleiter bleiben, das wusste er längst.
    »Es ist schon viel zu viel Zeit vergangen, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben. Ich weiß nicht einmal mehr, wo das war.« Anthony Blake schüttelte Birous Hand übertrieben heftig.
    »Bei der Eröffnung unserer gemeinsamen Antikorruptionsakademie hier in Wien. Das ist schon Jahre her«, sagte Birou und deutete auf den Sessel. »Was hat dich diesmal hierher geführt?«
    »Dir kann ich das ja erzählen. Wir planen mit den Mitgliedsländern von Interpol die Schaffung eines neuen Technologiezentrums«, antwortete Blake, setzte sich hin und wartete, bis die Sekretärin mit ihrem Kaffeetablett das Zimmer wieder verlassenhatte. »Du hast hier eine effiziente Organisation, eine bis ins Kleinste ausgefeilte Maschinerie. Ihr habt unglaublich viel über die Balkan-Route herausgefunden, über die Zusammenarbeit von Dimitri Arbuzow und Bogdan Bojanić, über die Regelungen, die es zwischen ihnen und Agromasch gab, über den ganzen Mechanismus der Menschentransporte. Und überdies ist es, wie man hört, deinem persönlichen Assistenten gelungen, der finnischen Polizei einen von Arbuzows Lastzügen in die Hände zu spielen. Von den Opfern, die aus dem Wagen gerettet wurden, haben wir wertvolle Informationen bekommen. Die Operation zur Zerschlagung der Balkan-Route ist zum Teil gerade deswegen erfolgreicher verlaufen als zu erwarten war. Du hast dich bei diesen Ermittlungen anscheinend in beträchtlichem Maße engagiert.«
    Das war schon tragikomisch. Normalerweise hätte sich Birou diese Situation gnadenlos zunutze gemacht und seine Verdienste und seinen Anteil an den Ermittlungen übertrieben, um in seiner Karriere weiter voranzukommen, aber jetzt war ihm das alles gleichgültig. Es kam ihm so vor, als hätte er auf dem Weg in ein Restaurant mit drei Michelin-Sternen eine Lebensmittelvergiftung bekommen.
    »Wo hast du bloß deine ganzen Informationen her?«, fragte Blake.
    »Aus Leo Karas Zusammenfassung«, dachte Birou, sagte aber: »Bei uns liefen zufällig gerade mehrere

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