Weiss
nicht mal ein Ei kochen.«
Kara hätte Nadine gern berichtet, was bei ihm auf Arbeit passiert war, ernsthafte Gespräche waren jedoch kein Bestandteil ihrer Beziehung; die gemeinsamen Stunden verbrachten sie mit möglichst stressfreien Freizeitunternehmungen und ungehemmtem Sex. Er hatte Nadine weder vom tragischen Schicksal seinerFamilie, noch von seiner Kopfverletzung erzählt. Gerade als Kara seine Gabel in den Schweinebraten stach, tauchte auf der Heinestraße ein Cabrio mit ohrenbetäubendem Motorengeräusch auf.
Nadines achtzehnjähriger Sohn Bruno lächelte wie eine Buddhastatue, als er aus seinem stahlblauen BMW Z3 Roadster stieg.
»Mit wessen Auto fährst du hier herum?«, fragte Nadine ihren Sohn zur Begrüßung.
»Mit meinem eigenen«, erwiderte Bruno und dachte gar nicht daran, das noch weiter zu erklären.
Das brachte seine Mutter sofort auf die Palme: »Wo hast du das Geld her? Das muss doch Tausende gekostet haben!«
Bruno gefror das Lächeln auf den Lippen. »Der Wagen ist fast zehn Jahre alt. Was ist los mit dir, hast du vergessen, deine Medikamente zu nehmen?«
»Woher hast du das Geld?«, rief Nadine, aber Brunos Antwort ging im Lärm unter, als das Cabrio aufheulte und in Richtung U-Bahn-Station Praterstern davonraste.
»Für einen Gymnasiasten ist das eine ziemlich protzige Karre«, sagte Kara. Er wusste, dass Bruno erst im letzten Sommer vom Amphetamin losgekommen war, bis dahin hatte der Junge sowohl sein eigenes Geld als auch das seiner Mutter für Speed ausgegeben. »Für so eine Kiste zahlst du ohne weiteres zehntausend.«
Nadine schaute vom Salatteller auf und sah Kara mit besorgter Miene an. »Vielleicht leide ich allmählich unter Wahnvorstellungen, aber Bruno scheint derzeit genug Geld zu haben, um sich alles Mögliche zu kaufen. Der Junge arbeitet an den Wochenenden im ›Hansy‹ und hilft angeblich auch in einer Firma, die dem Vater eines seiner Bekannten gehört, aber mit dem, was du bei solchen Jobs verdienst, kannst du dir keine Autos kaufen. Ich sehe Bruno im Moment auch so selten, er ist immer mit den Freunden aus seiner neuen Clique auf Achse. Doch ich sollte mich lieber nichtbeklagen, diese neuen Kumpels sind wenigstens keine Junkies und geben nicht ihr ganzes Geld für Stoff aus.«
»Idiot.« Das Wort rutschte Kara heraus, und als ihm klar wurde, was er da von sich gab, war es schon zu spät. Nadine saß da und starrte ihn entgeistert an wie einen Verrückten. Er hätte ihr gern erzählt, dass er wegen seiner Krankheit nichts dafür konnte, aber es war nicht gerade verlockend, sich auf den Weg der Enthüllungen zu begeben. Auch Nadine hatte es in ihrem Leben schwer gehabt, es war besser, wenn sie sich nicht gegenseitig mit Horrorgeschichten aus ihrer Vergangenheit belasteten.
»Entschuldige, das ist mir so herausgerutscht«, sagte Kara aufrichtig. »Ich habe gerade daran gedacht, dass Bruno ein Idiot wäre, wenn er sich ausgerechnet jetzt, wo er endlich von den Drogen losgekommen ist, auf irgendetwas Gesetzwidriges einlassen würde.«
Nadine akzeptierte die Notlüge. »Jemand müsste mit dem Jungen reden, wenn er sich mit mir unterhält, schreit er nur herum.«
Kara wollte Nadine eigentlich fragen, ob sie die Nacht zusammen verbringen könnten, aber nun beschloss er, noch zu warten, bis sie wieder etwas entspannter war. Plötzlich schrillte sein Telefon, auf dem Display blinkte Gilbert Birous Name, und Kara wusste sofort, was er als Nächstes tun würde.
***
Gilbert Birou und Leo Kara saßen im Büro des Generaldirektors in der dreizehnten Etage des Hauses E und betrachteten einander abschätzend. Die Serie von Ereignissen vor einem reichlichen Jahr hatte ihr bis dahin eisiges Verhältnis verändert, nun war es außerdem noch feindselig. Kara umwehte eine intensive Bierfahne. Auf dem Ärmel von Birous weißem Hemd, direkt neben dem goldenen Manschettenknopf, hatte beim Mittagessen im Restaurant »Mörwald« ein Tropfen der verführerischen Ochsenschwanzsuppe einen Fleck hinterlassen.
Birou sah Karas tiefliegende Augen, das kurze, stehende blondeHaar, die dunklen Brauen, die in seinem blassen Gesicht besonders auffielen, und inmitten der Bartstoppeln das Grübchen am Kinn. Kara war ein Nervenbündel und mehrfach wegen Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilt worden, allerdings besaß er eine schnelle Auffassungsgabe und galt als Sprachgenie. Nach letzten Informationen beherrschte er elf Sprachen, zudem verfügte er über eine Berufserfahrung, die mit
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