Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiss

Weiss

Titel: Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
fünfunddreißig nur wenige vorweisen konnten. Kara hatte vier Jahre im Konfliktforschungsinstitut Global Crisis Group, drei Jahre beim britischen Nachrichtendienst MI5 und die letzten drei Jahre beim UNODC gearbeitet. Im Bericht des MI5 über Karas Sicherheitsüberprüfung hieß es, seine Eltern und seine Schwester seien im Oktober 1989 unter Umständen gestorben, die der Geheimhaltung unterlagen. Für Gilbert Birou stellte Leo Kara eine Bedrohung dar, eine wandelnde Katastrophe, die das mit viel Mühe errichtete Fundament seines Lebens, die absolute Sicherheit, ins Wanken brachte; Kara war der Mann, der ihn im vorigen Jahr auf unverschämte Weise erpresst hatte.
    Leo Kara starrte angewidert auf die goldene Cartier-Brille und die mit Pomade dunkel gefärbten Schläfen seines Chefs, der einen dreiteiligen Nadelstreifenanzug und eine gelbe Hermès-Krawatte trug. Generaldirektor Gilbert Birou war dick und faul und stets auf den eigenen Vorteil bedacht, der Mann mied jedes Risiko und drückte sich vor jeder Verantwortung, er häufte Luxusgegenstände an, speiste jeden Abend im Restaurant und war in seinem Verhalten so variabel wie ein Uhrzeiger. Birou verkörperte nahezu alle Charakterzüge, die Kara verachtete. Und überdies hatte der Franzose vor einem Jahr den sudanesischen Behörden verraten, dass Kara heimlich in das Land einreisen wollte, was ihn fast das Leben gekostet hätte. Leider konnte er nicht beweisen, dass Birou versucht hatte, ihn endgültig loszuwerden.
    »Du bist Anders Aasen gegenüber handgreiflich geworden, er hat sich bei dem Sturz die Schulter verletzt«, sagte Birou.
    »Das stimmt. Der Mann ist ein Dummkopf«, erwiderte Kara. Aus lauter Bosheit sprach er mit seinem Vorgesetzten stets Englisch, obwohl sein Französisch ganz passabel war.
    »Kara, warum tust du uns beiden nicht einen Gefallen und reichst deine Kündigung ein. Du arbeitest nur deshalb hier, weil ich unserer gemeinsamen Bekannten Betha Gilmartin eine Gefälligkeit erweisen wollte, und entlassen kann ich dich nicht, weil du … Dinge über mich weißt, die du nicht wissen solltest.«
    »Meine Arbeit macht mir Spaß«, sagte Kara und staunte selbst, dass er sich bemühte, seinen Job zu behalten. Vielleicht war der seine einzige Verbindung mit der Wirklichkeit.
    Birou überlegte angestrengt, ob diese Bemerkung ein Scherz sein sollte. In Karas Kopf stimmte wirklich etwas nicht, er hatte sich nicht unter Kontrolle, weder bei dem, was er tat, noch bei dem, was er sagte. »Die Angelegenheit ist damit nicht erledigt. Jetzt muss ich ernsthaft überlegen, was mit dir geschehen soll.«
    Kara stand auf, und es kostete ihn einige Mühe, sich den bissigen Kommentar zu verkneifen, der ihm auf der Zunge lag.
    »Hast du schon irgendeine Meinung zu diesen Straftaten, bei denen es um Iridium geht?«, erkundigte sich Birou, während Kara bereits nach der Klinke griff.
    »Das sind Dutzende Ordner!«
    »Ist für dich erkennbar, worum es bei dieser ganzen Sache geht?«, fragte Birou in versöhnlichem Ton.
    Kara schüttelte den Kopf, bemühte sich, einen interessierten Eindruck zu machen, und setzte sich wieder hin.
    »Keiner scheint zu wissen, warum jemand in den letzten Monaten auf dem Weltmarkt das ganze Iridium aufgekauft hat und Forschungsprojekte sabotiert, die mit dem Iridium-Metall zusammenhängen«, klagte Birou. »Ich werde aus dieser ganzen Geschichte nicht schlau.«
    »Das Gefühl müsstest du ja kennen«, dachte Kara, sagte aber: »Die Sache wird sich schon irgendwann klären.«
    Birou wirkte nachdenklich: »Wir sehen uns morgen Nachmittag um fünf Uhr, bis dahin wirst du sicher so etwas wie eine vorläufige Zusammenfassung schaffen.« Dann öffnete er mit sichtlichem Stolz den Deckel seiner funkelnagelneuen Tasche.
    »Das ist vermutlich auch die beste ihrer Art?«, sagte Kara mit einem Grinsen und nickte in Richtung Tasche. Jeder im UNODC wusste, dass der Generaldirektor fast alle seine Neuanschaffungen als beste ihrer Art rühmte.
    »Die Crème de la Crème, the best of the best, die beste ihrer Art. Ein Attaché-Koffer von Swaine Adeney Brigg«, erklärte Birou. »Modell Churchill. Man hat das Gefühl, Teil einer großen Tradition zu sein, wenn man Erzeugnisse einer 1750 gegründeten Firma benutzt.«
    »Man hat das Gefühl, Teil einer großen Farce zu sein, wenn man dich anschaut«, dachte Kara und verließ den Raum.
    Gilbert Birou schloss die Augen und fragte sich zum tausendsten Mal, warum gerade er mit Leo Kara bestraft wurde. In seiner

Weitere Kostenlose Bücher