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Weiss

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Titel: Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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eingetroffen war, und schüttete noch einen Teelöffel Zucker darüber. Dann zog er einen Stift aus der Brusttasche, nahm eine Serviette und begann zu schreiben. Das dauerte mehrere Minuten, aber schließlich war er fertig. Er reichte sein Gekritzel über den Tisch und konzentrierte sich auf die Eierkuchen.
    Eine Namensliste. Je mehr Kara las, umso höher zog er die Augenbrauen. Erzbischof … Generaldirektor … Präsident … Polizeirat … noch ein Generaldirektor … Präsident eines Appellationsgerichts … Ministerpräsident …
    »Ein Teil von ihnen ist pensioniert, ein Teil immer noch im Amt. Doch die pensionierten Leute üben oft mehr Macht aus als jene, die weiter im Arbeitsleben stehen, die einflussreichen Rentner sitzen in Dutzenden Aufsichtsräten und anderen Entscheidungsgremien. Sie nutzen die Beziehungen, die sie in ihrer aktiven Zeit aufgebaut haben, und steuern die Dinge hinter den Kulissen«, sagte Ketonen.
    »Wie kann so eine … Gruppe, das Kabinett, jahrzehntelang geheim bleiben?«, fragte Kara verwundert.
    »Die Mitglieder des Kabinetts sprechen nie, unter keinen Umständen, darüber, dass sie Mitglied sind. Nur unter der Voraussetzung, dass niemand vom Kabinett oder ihrer Mitgliedschaft weiß, können sie ihre exponierte gesellschaftliche Stellung im Interesse des Kabinetts nutzen. Bei uns in Finnland existiert ja auch der allgemein bekannte Mittwochs-Club, ein geschlossener Diskussionsclub, der sich einmal im Monat versammelt. Zu ihm gehören etwa hundert Größen aus Politik und Wirtschaft. Und was dort behandelt wird, weiß auch niemand.«
    Kara überflog die Liste noch einmal. »Die sind alle Kabinettsmitglieder?«
    »Ja, aber diese Liste hat einen Haken«, erwiderte Ketonen und beugte sich zu Kara hin. »Neunundneunzig Prozent der Menschen auf der Liste gehören zum Kabinett, aber nicht unbedingt alle. Deswegen kannst du dir bei keinem einzigen Namen sicher sein. Das heißt, die Liste nützt dir nicht sehr viel, sofern du nicht bei den einflussreichsten Leuten in Finnland von Tür zu Tür gehen und nach dem Kabinett fragen willst. Das würde ich nicht empfehlen.«
    Karas Zuversicht schwand, als ihm klar wurde, dass Ketonen Recht hatte. Diesmal konnte ihm der Exchef der SUPO nicht viel weiterhelfen. Es sei denn, Paranoid war imstande, etwas mit den Namen auf der Liste anzufangen.
     
    Draußen auf der Kapteeninkatu gab er Ketonen die Hand, und dann trennten sich ihre Wege. Kara nahm Kurs auf das Meeresufer in der Hoffnung, dass er durch Bewegung an der frischen Luft klarer denken konnte. Doch es kam anders. Als er am Hafen das Ufer erreichte und den Kaivopuisto-Park erblickte, erinnerte er sich plötzlich ganz intensiv, wie sein Vater Emma und ihn einmal hierhergebracht hatte, um ein Feuerwerk anzuschauen. Daswar einer der seltenen Tage gewesen, an denen sie drei etwas gemeinsam unternommen hatten.
    Karas Telefon klingelte, als er auf dem Meritori eintraf. Er fluchte, auf dem Display blinkte der Name von Gilbert Birou.
    Kara meldete sich mit einem »Guten Morgen«.
    »Wir haben anscheinend keine genaue Vereinbarung zu deiner Berichterstattungspflicht getroffen«, sagte Birou so mürrisch wie üblich.
    »Nur ein völliger Idiot verwendet den Begriff Berichterstattungspflicht«, dachte Kara, sagte aber: »Heute ist Sonnabend. Ich wollte mich am Montag ganz früh melden. Du verbringst doch die Wochenenden in der Regel woanders als im Büro.«
    »Hast du etwas herausgefunden? Über die Firmen, die Hofman Geld überwiesen haben, über Krylow oder Arbuzow, über den Menschenhandel oder irgendetwas anderes? Diesmal will ich jedes einzelne Detail erfahren.«
    Kara war überrascht, es hörte sich so an, als hätte Birou sich mit dem Fall beschäftigt. »Hier ist so viel passiert, dass man darüber nicht am Telefon berichten sollte. Außerdem bin ich gerade auf dem Weg in die U-Bahn, und das Handy …«
    »Du lieferst mir im Laufe dieses Tages eine detaillierte Zusammenfassung …« Birous Worte verklangen im Äther, als Kara das Telefon ausschaltete.
    Es hatte aufgehört zu regnen und war wärmer geworden. Vom Meer her wehte ein leichter Wind, und am Himmel zogen Quellwolken dahin, sogar das Geschrei der Möwen schien zu diesem perfekten Sommertag zu passen. Boote aller Art schaukelten draußen auf den Wellen. Kara empfand es als enttäuschend, dass Ketonens Informationen so vage waren, es blieb nur zu hoffen, dass Paranoid mit seinen magischen Künsten am Computer dem Rufnamen Fidel auf die Spur

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