Weiss
kam. Ging es bei all dem also um Geldwäsche? Das passte zumindest zu dem Hinweis, den Henri Pohjala kurz vor seinem Tode Kati Soisalo gegeben hatte:
Follow the money
.
Kara lief am Meritori und an Uunisaarensalmi vorbei, erreichte den Uferweg am Kaivopuisto und sah auf der Terrasse des Café »Ursula« eine Frau, die ein Buch las. Im selben Moment fiel ihm der Brief ein, den man ihm an der Rezeption gegeben hatte.
Wenig später griff er an der Kasse nach seinem Portemonnaie, schimpfte verärgert vor sich hin und fragte sich, wieso die Leute in Helsinki bereit waren, ohne zu murren sieben Euro für ein kleines Bier zu zahlen. Seiner Ansicht nach war er nicht geizig, sondern ging nur sehr sorgsam mit seinem Geld um.
Kara setzte sich auf der Terrasse des Cafés an einen Tisch und hob das beschlagene Glas an die Lippen. Helsinki war eine hübsche Kleinstadt: Wenn man an dieser Stelle des Ufers auf das Meer hinausschaute, hatte man das Gefühl, in den Schären zu sein. Kara holte den zerknitterten Brief aus der Gesäßtasche und bemerkte erst jetzt, dass sich auf dem Umschlag weder eine Briefmarke noch eine Adresse befand, nicht einmal die Zimmernummer, nur sein Name. Er riss das Kuvert auf.
Leo,
wir haben uns über zwanzig Jahre nicht gesehen, und ich will nicht verraten, wer ich bin, um Dich nicht zu schockieren. Du hast wegen der Ereignisse im Oktober 1989 schon genug leiden müssen. Nachdem sich unsere Wege getrennt hatten, habe ich Dein Schicksal zunächst nur sporadisch verfolgt, doch allmählich wurde es zu einer Art Hobby, Dein chaotisches Leben zu beobachten. Jetzt habe ich mich entschieden, Dir zum ersten Mal eine Nachricht zu schicken, eine Warnung: Der Fall, den Du gerade untersuchst, wird aus Deiner Sicht unweigerlich ein schlimmes Ende nehmen. Das wird Dich zugrunde richten, egal ob Du Erfolg hast oder nicht.
Höre jetzt auf damit, lass die Vergangenheit und die Toten ruhen.
PS
Zum Beweis für die Richtigkeit meiner Worte: Als Du Dich auf dem Weg in das Industriegelände Park Royal am 13. 10. 1989 in Deine Kapuze übergeben hast, erklang im Autoradio der Titel › If you don’t know me by now ‹ .
Als Kara den Titel las, packte ihn die Wut, an den hatte er sich über zwanzig Jahre lang kein einziges Mal erinnert. Er kippte den Rest des Bieres hinunter. Ein kurzer Augenblick genügte, und schon war alles noch verworrener. Nur seine Familienmitglieder und die Entführer wussten, welcher Song seinerzeit in dem Transporter gelaufen war. Vater, Mutter und Emma waren tot, also musste der Verfasser des Briefes einer der Entführer sein, und diese Alternative ergab nicht den geringsten Sinn. Warum sollte einer der Mörder seiner Familie ihn jetzt warnen, über zwanzig Jahre nach all dem?
Kara spürte, wie der Druck in seinem Schädel immer größer wurde, er wollte hinter all das einen Schlusspunkt setzen. Es war eine richtige Entscheidung gewesen, nach den Spuren von Manas und Mundus Novus zu suchen, er musste die Geheimnisse, dieses ganze Leben wie in einem offenen Gefängnis, endlich loswerden. Sonst würde alles beim Alten bleiben, nur die Tage, die Monate und die Jahreszahlen würden wechseln.
Ein beklemmendes Gefühl überkam ihn mit solcher Wucht, dass er keinen Augenblick zögerte, sondern sofort vier Pillen mit je fünf Milligramm Dialar aus der Tasche holte und in den Mund steckte. Seit er das letzte Mal zu einer Überdosis von Beruhigungsmitteln hatte greifen müssen, war fast ein Monat vergangen.
15
Samstag, 14. August
Jukka Ukkola musste hundert Meter von der abgebrannten Halle entfernt parken. Am Ort des Geschehens standen schon Fahrzeuge des Rettungswesens und der Polizei von Süd-Karelien und der Freiwilligen Feuerwehr Ylämaa sowie etwa zwei Dutzend neugierige Einheimische. Das Gelände war mit dem blau-weißen Band der Polizei abgesperrt. Ukkola öffnete erst den Kofferraum des Volvo und dann seinen Exitus-Koffer und zog einen Einwegschutzanzug, Überschuhe, eine Kopfhaube und Latexhandschuhe an und setzte einen Atemschutz auf. Dann zeigte er einer jungen Polizistin, die eine Weste mit der Aufschrift ›Polizei‹ trug, seinen Dienstausweis und ging zu einem Zelt, das am Rande des Grundstücks aufgebaut war. Die Kriminaltechniker sahen nicht sehr froh aus. In der Mitte des Zeltes stand ein Arzt an einem zusammenklappbaren Tisch und beschäftigte sich mit einer Leiche. Auf einem kleinen Beistelltisch aus Metall lagen Wegwerfhandschuhe, Pinsel, Beutel und
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