Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Bäume links und rechts der Straße waren jetzt nicht mehr so gleichgültig, aber der graue Beton mit den weißen Streifen, der sich durch die Wiesenhügel fraß, war eine Beleidigung für Bach. Er holte den kleinen Moritz ab und fuhr mit ihm zum Freyunger Krankenhaus.
»Grüß Gott, Herr Wiesel.«
»Grüß Gott.«
Der Patient lag im Halbdunkel. Ihm gegenüber an der Wand war ein Fernseher angebracht, in dem gerade ein Koch ein paar Witze riss.
»Kreuzeder. Kriminalpolizei Passau. Vielleicht erinnernS’ sich. Ich hab Sie befragt, wie Sie noch auf der Intensivstation waren.«
»Ja, ja, ich weiß schon.«
»Darf ich den Vorhang ein bisserl aufmachen und den Fernseher ausschalten?«
»Von mir aus.«
»Bloß, dass man was sieht.«
Bei Licht besehen wirkte der Patient noch müder als die Witze des Fernsehkochs. Sein zerfurchtes Gesicht war so grau wie die buschigen Augenbrauen und die Haarbüschel, die aus dem Kopfverband herauslugten. Seine Mundwinkel hingen traurig herunter. Wenn er kein gewinnbringendes Lächeln mehr zustande brachte, hatte er als Vertreter abgewirtschaftet. Kreuzeder schob den Buben ein wenig näher an das Bett.
»Das ist übrigens der Moritz.«
»Grüß dich. Ist das Ihr Sohn?«
»Nein. Wie geht’s Ihnen denn?«
»Saumäßig. Die Schwestern sind alle zu jung für mich.«
»Ich hab mir das Zeug angeschaut, was Sie verkaufen. Kann man denn davon leben?«
»Ich probier’s zumindest. Früher hab ich ja Scheren, Messer, Nadeln und Zwirn gehabt, aber das gibt’s jetzt alles in die Supermärkte.«
»Jesusse und Marien gibt’s doch auch überall.«
»Meine sind aber mit Original Weihwasser aus dem Regensburger Dom bespritzt.«
»Haben Sie denn da eine Lizenz von der Kirche?«
»Brauch ich gar nicht. Ich hab einen Gewerbeschein für den Einzelhandel. Der gilt praktisch für alles unter drei Kilo.«
Plötzlich streckte Moritz seinen Arm aus. Sein Zeigefinger war auf Wiesel gerichtet.
»Das isser!«
»Was meinst?«
»Der wollt ein Huhn bei uns stehlen.«
Der Vertreter starrte ihn an.
»Woher willst denn du das wissen?«
»Weil ich’s weiß. Weil bei uns keiner ein Huhn stehlen darf. Da könnt ja jeder kommen.«
Ein kleines Weilchen herrschte Schweigen. Dann kam langsam Farbe in das graue Gesicht.
»Sag einmal, kannst du mit der Maschin fahren? Mit dem Mähdrescher?«
»Ich kann mit alle Maschinen fahren.«
»Ja, du Saubub, du! Du Mörder, du!«
»Hühnerdieb!«
Wiesel zappelte und versuchte aus dem Bett zu klettern. Kreuzeder musste ihn festhalten, damit er nicht rausfiel.
»Jetzt beruhigenS’ sich. Der Bub ist ja erst zehn.«
»Ja, der gehört doch in Gewahrsam genommen, dass er nimmer rausderf unter die Menschen! Oder gleich außer Landes verfrachtet!«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, er ist erst zehn.«
»Ja, haben Sie des gewusst?«
»Mehr oder weniger. Jetzt weiß ich’s jedenfalls.«
»Und werd er jetzt eingesperrt? So ein Ungeheuer kann man doch nicht frei rumlaufen lassen.«
»Das wird man jetzt sehen. Strafmündig ist er jedenfalls nicht.«
»Das gibt’s doch gar nicht.«
»Alles gibt’s. Jetzt kurierenS’ Ihnen erst mal aus. Und haltenS’ sich von dem Hof fern, dann kann Ihnen nichts mehr passieren.«
17
Nachdem der Kommissar den Buben wieder zu Hause abgeliefert hatte, sah er bei der Fahrt durch Oberkirch den Pfarrer eine Kiste durch den Pfarrgarten tragen. Er bremste, stellte das Auto ab und ging hin. Aus der Kiste ragten Löwenzahn und Mohrrüben.
»Grüß Gott, Herr Pfarrer. Wir kennen uns, glaub ich, von der Beerdigung vom Herrn Brodl.«
»Ich erinner mich, ja. Sie sind der Kriminaler, der sich für den Jesus interessiert.«
»Richtig. Ich hab noch mal die Bibel gewälzt.«
»O weh. Eigentlich wollt ich grad die Hasen füttern.«
»Da will ich Sie nicht dran hindern.«
Ohne seine Soutane, in der dunkelblauen Strickjacke, wirkte der Geistliche wie ein gemütlicher Frührentner. Kreuzeder tappte hinter ihm her, vorbei an den Tulpen und Rosenrabatten.
»Richtet nicht, auf dass Ihr nicht gerichtet werdet… das hat er doch gesagt, der Jesus?«
»Das ist aus der Bergpredigt, ja.«
»War das nicht überhaupt seine Botschaft? Dass Gott Gnade vor Recht ergehen lässt?«
»Wo kommen wir denn da hin, Herr…?«
»Kreuzeder.«
Es quietschte, als der Pfarrer die Tür des Hasenstalls öffnete. Er schob das Futter in den Drahtverhau, in dem sich vier fette Hasen drängelten.
»Wenn Sie die Mörder nicht mehr einsperren, dann ist doch sofort der
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