weißblau queer gestreift
genug über mich, um mir das ganze Dorf auf den Hals zu hetzen. Okay, zugegeben, es macht mir auch ein wenig Spaß, Mandy von alledem zu erzählen. Sie ist so interessiert und findet alles spannend und faszinierend. Und sie ist eine der ganz Wenigen, mit denen ich über solche Dinge reden kann. War also vielleicht doch ganz gut, sie einzuweihen.
◊◊◊
Heidi hat wirklich schon viel erlebt. Mit den Frauen, aber auch mit ihrer Familie, wie sie mir hier im Zug erzählt hat. Ist echt komisch: Ihre Mutter ist Mesnerin und verheiratet und Heidi ist Atheistin und lesbisch. Die beiden scheinen nicht viel gemeinsam zu haben. Ich glaube, die Beziehung zwischen den beiden ist recht schwierig. Heidi hat dann bald das Thema gewechselt und mir von München erzählt. Anfang der Neunziger hat sie drei Jahre in München gelebt. In der Zeit war sie oft unterwegs, in Diskos und Kneipen. Sie muss damals eine wahre Partymaus gewesen sein. Vorhin habe ich sie nach ihrem Alter gefragt. Kaum zu glauben: Heidi ist schon 36! Sie redet aber nicht gerne über ihr Alter. Ich glaube, sie ist ein wenig frustriert, weil sie noch studiert und so wenig Geld hat. Aber ich finde Heidi cool. Ich habe ihr auch gleich mitgeteilt, dass ich sie cool finde. Da hat sie nur gegrinst und »ja mei« gesagt.
Hin und wieder sieht mich Heidi an, als würde sie mich nicht ganz für voll nehmen. Nicht böse, nein, eher wie eine Mutter, die über ihre Tochter schmunzelt. Klar, sie ist ja auch 16 Jahre älter als ich. Trotzdem mag ich es nicht gerne, wenn sie mich so belächelt. Ich bin ja längst schon kein Kind mehr.
Ha, jetzt sind wir gleich da: Der Zug fährt am Münchner Bahnhof ein! Heidi hat wieder dieses Schmunzeln im Gesicht. Sie fragt mich, ob ich nervös bin. »Ein bisschen, ich bin schon sehr gespannt«, sage ich ehrlich.
»Das wird bestimmt ein lustiger Abend, keine Sorge!«
Wir greifen nach unseren Jacken und gehen zur Tür. Schon stehen wir auf dem großen, unübersichtlichen Bahnhof. Überall Menschenmassen und hektisches Gedränge. Ich bleibe Heidi dicht auf den Fersen, weil ich mich hier nicht auskenne. Heidi führt mich zur U-Bahn. Wir müssen nur wenige Stationen fahren. Als wir die Rolltreppe dann wieder hochgehen, erklärt mir Heidi, dass wir uns nun im Glockenbachviertel befinden, dort wo die schwul-lesbische Szene Münchens zu Hause ist.
Wie aufregend! Ich folge Heidi durch die Straßen und sehe mir die vielen Lokale und Bars an. Männer laufen hier Hand in Hand herum, da vorne küssen sich sogar zwei. Wahnsinn! Heidi erzählt mir von Kneipen, in die sie früher gegangen ist, und meint, dass sich hier einiges verändert hat. Sie schwelgt in Erinnerungen und wird leicht nostalgisch. Ich bin etwas überfordert. Einerseits möchte ich mir die Umgebung genau ansehen, andererseits möchte ich Heidis Schilderungen lauschen. Nun hebt Heidi den Arm und deutet nach rechts.
»Da ist es!«, ruft sie. »Das ist unser Laden!«
Ich blicke auf das Lokal und folge Heidi. Sie hat ihren Schritt beschleunigt, kann es anscheinend kaum mehr erwarten, in die Disko zu kommen. Die sieht von außen eher unscheinbar aus. Vor der Eingangstür hat sich eine kleine Schlange gebildet. Popmusik schallt von innen hervor. Das neue Lied von Kylie Minogue, glaube ich. Wir stellen uns in die Reihe, und ich betrachte die Frauen vor mir. Heidis Frisur scheint bei Lesben in zu sein, viele haben ihre Haare zu einem Irokesen aufgestellt. Oder sie tragen ihre Haare ganz kurz, wie Jungs. Auch Silberkettchen und Nietengürtel sehe ich überall. Manche Lesben hätte ich auf den ersten Blick für Männer gehalten. Zwei kurzhaarige stämmige Partygäste gehen jetzt hinein, jeweils in Begleitung einer langhaarigen und sehr weiblichen Frau. Gleich darauf sind wir an der Reihe. Wir zahlen den Eintritt und betreten die Disko. Ich bleibe ganz dicht bei Heidi. Mein Herz schlägt schnell. Irgendwie kommt es mir verboten vor, was wir hier tun. Wobei das natürlich Quatsch ist. Ich hoffe nur, dass man es mir nicht ansieht, dass ich hetero bin. Nicht dass ich noch rausgeworfen werde! Weil mich der Gedanke, enttarnt zu werden, gar so nervös macht, greife ich nach Heidis Hand. Heidi sieht mich an und grinst. Wahrscheinlich sehen wir jetzt aus wie ein Paar. Das ist echt merkwürdig und verrückt. Aber auch lustig und abenteuerlich.
»Setzen wir uns erst mal und trinken was«, beschließt Heidi. Sie geht voraus und zieht mich mit. Wir ergattern einen der wenigen kleinen Tische.
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