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weißblau queer gestreift

weißblau queer gestreift

Titel: weißblau queer gestreift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Brandl
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Mühe lohnen würde. Also schreibe ich Birgit eine SMS und rede mich mit Stress wegen dem Studium raus. Ich gebe ihr meine Festnetznummer und schlage ihr ein Telefonat vor. Birgit ist sofort einverstanden. Abends um acht wird sie mich anrufen.
    Ich vertreibe mir die Zeit bis zum Telefonat mit Chatten, Mailen und dem Durchforsten von Kontaktanzeigen. Neben Birgit habe ich noch zwei Frauen im Rennen. Die eine kommt aus Regensburg und schreibt ganz nette Mails, ist aber schon 45. Die andere ist 28, wohnt in München und geht gerne auf Partys. Sie scheint recht unternehmungslustig zu sein und vielleicht ein bisschen anstrengend. Aber womöglich versucht sie beim Chatten nur besonders interessant zu wirken und ist in Wirklichkeit ganz gemütlich und ruhig. Früher habe ich mich auch immer ein wenig verstellt, um zu gefallen. Heute ist mir das zu blöd. Wie sagen die Amis immer? »Love it or leave it«. Ich bin einfach zu alt für irgendwelche Spielchen. Und weil ich mit den Jahren so meine Erfahrungen gesammelt habe, halte ich mir vorsichtshalber beide Frauen warm. Damit ich gleich zur nächsten überwechseln kann, wenn sich eine als Katastrophe herausstellt. Gleichzeitig sehe ich nach, was es im Netz sonst noch gibt, um mir eine gewisse Reserve zu sichern. Ist ja nicht das erste Mal, dass ich auf der Pirsch bin.
    Irgendwann läutet das Telefon. Ich sehe auf die Uhr. Es ist kurz nach sechs. Ist das etwa Birgit? Schon so früh? Ich stehe auf und greife zum Hörer.
    »Ja, hallo?«
    »Servus, Adelheid. Ich bin’s, der Jockl.«
    Ich unterdrücke ein Stöhnen. »Ah, Jockl, servus.«
    »Ich wollt’ dich nur fragen, ob du heut’ Abend schon was vorhast. Wenn nicht, tät’ ich dich gern ins Kino einladen.«
    »Tut mir leid, aber heut’ geht’s nicht.«
    »Schade. Dann vielleicht nächstes Wochenend’?«
    »Da bin ich in Passau, weil Mandy dort Geburtstag feiert.«
    »Oh.«
    »Du, ich meld’ mich, wenn’s mal passt, gell? Im Moment ist’s gerade schlecht«, sage ich, und noch bevor Jockl etwas erwidern kann, verabschiede ich mich und lege auf. Ich verdrehe die Augen und starre an die Decke. Oh Mann, der Jockl!
    Vielleicht sollte ich nächstes Mal noch deutlicher werden, damit auch er es kapiert, dass er bei mir keine Chance hat. Aber es fällt mir schwer, ihm eine direkte Abfuhr zu geben. Er ist zwar ein recht einfältiger Langweiler, aber im Grunde auch ein lieber und braver Kerl.
    Schnell verdränge ich die Störung und setze mich an den Computer. Ich sehe, dass Thea gerade online ist. Also schreibe ich sie an und wir beginnen miteinander zu chatten. Heute geht es vorrangig um meine Beziehung zu den Eltern. Das Thema »Mandy« meide ich. Ich erzähle viel über meine Mutter, die First Lady des Dorfes – sie ist ja stets an der Seite des ehrwürdigen Herrn Pfarrer, für den sie meines Erachtens recht übertrieben schwärmt. Manchmal wirkt es tatsächlich so, als wäre sie ein wenig in ihn verknallt.
    Irgendwann fragt mich Thea nach meinem Vater. Da muss ich erst mal überlegen. Manchmal scheine ich zu vergessen, dass er auch noch da ist. Weil er immer so ruhig ist und so wenig Anteil nimmt. Als ich noch ein kleines Kind war, hat er bei der Post gearbeitet und oft Überstunden gemacht. Mit 45 Jahren wurde er gekündigt, weil sie Personal einsparen mussten. Das hat ihn schwer getroffen. Ich glaube, er hat seinen Beruf gerne gehabt. Wenig später hat er sich im Baumarkt beworben. Dort stand er acht Jahre lang in der Holzabteilung an der Säge. In der Zeit kam er stets müde nach Hause und war dazu noch recht unzufrieden und launisch. Er war aber nie grob zu mir und hat auch nie viel geschimpft. Aber er hat sich auch nicht großartig mit mir beschäftigt. Die Erziehung hat er schon immer ganz meiner Mutter überlassen. Mein Vater hat so vor sich hin gelebt, in seiner eigenen Welt. Seinen Ärger hat er stets wortlos in sich hineingefressen. Irgendwann bekam er Rheuma und musste das Arbeiten ganz aufgeben. Seit 15 Jahren ist er nun Rentner. Er trinkt am Tag seine vier bis fünf Bier und sitzt meistens nur stumm herum. Wenn er mal spricht, dann meckert er über etwas. Meine Mutter meint, ich sei meinem Vater recht ähnlich, wegen der grantigen Art und so. Ich weiß nicht, ich mag das nicht so recht glauben. Und ich will das auch gar nicht hören.
    All das schreibe ich Thea. Die findet, ich habe eine sehr negative Meinung von meinen Eltern, und fragt, ob da bestimmte Verletzungen stattgefunden haben. Ich würde ihr ja sogar

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