Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
vertreten.
Margitta sorgte sich um ihre Mutter und schaute alle naslang in Richtung Gebüsch, ob Madame inzwischen geneigt sei, sich der kleinen Gesellschaft zu zeigen. Aber Margittas Sorge war unbegründet. Es dauerte nicht lange, da hörte sie die Mutter mit dem Kutscher schimpfen.
„Was ist Er für ein unfähiger Kerl, kann Er kein Loch dieser unseligen Straße auslassen!“
„Das könnte ich schon, gnädige Frau, doch dann müssten wir auf der Wiese neben der Straße fahren.“
„Unverschämter, auch noch frech werden!“ Baronin von Plessen, inzwischen rot vor Empörung, ließ von dem schlagfertigen Mann ab und gestattete der Zofe, die sich bis dahin bescheiden mit Johanna und Margitta eine Sitzbank geteilt hatte, ihr eine Tasse Tee einzuschenken.
„Eil dich, Monique“, wies die Witwe die junge Frau an, „bereite uns schnell ein Picknick, ich komme um vor Hunger.“
Dazu musste der Diener dem Reisegepäck auf dem Dach der Kutsche den unglücklich eingekeilten Picknickkoffer entreißen. Bei der Gelegenheit fielen einige schwere Gepäckstücke herunter, so dass die gesamte Kutsche in eine bedenkliche Schieflage geriet, die noch bedenklicher wurde, weil die Räder der plötzlich entlasteten Wagenseite auf einer Erhebung und die Räder der schwereren Seite in einer Riesendelle standen. Schon schwebte das erste Rad ohne Bodenhaftung in der Luft. Der Kutscher erfasste blitzschnell die Situation und trieb die Pferde an, damit die Karosse einen günstigeren Schwerpunkt erhielte. Denn wie es das Schicksal wollte, wechselten ein paar Fuß weiter die Erhebung mit einer Delle und die Delle mit einer Erhebung.
Baronin von Plessen hatte bereits die Hände vor das Gesicht geschlagen, um den unausweichlichen Schicksalsschlag nicht mit ansehen zu müssen. Doch als das erwartete Rumpeln beim Umstürzen ihrer erst kürzlich überholten Kutsche ausblieb, getraute sie sich zwischen ihren Fingern hindurchzulugen. Sie stellte zufrieden fest, dass der Wagenlenker wohl doch nicht so übel sei.
Die Verantwortung für die verbeulten Koffer musste allerdings der unglückliche Diener auf sich nehmen, der auch sofort entsprechend abgekanzelt wurde. Nachdem Baronin von Plessen ihr Unwohlsein an ihren Bediensteten ausgelassen hatte, ging es ihr auch körperlich wieder gut. Sie war auf der Stelle die Liebenswürdigkeit in Person.
Auf einer Picknickdecke waren inzwischen Erfrischungen angerichtet worden, an denen sich die herrschaftlichen Damen labten und auch Demoiselle Engelmann und Monique teilhaben ließen, während die Männer ihre liebe Not mit dem Beladen des Wagens hatten.
„Wenn wir heute ohne Achs- oder Radbruch ankommen, will ich dem Schutzheiligen aller Fuhrleute eine Kerze stiften“, knurrte der Kutscher, als er eine der schweren Koffertruhen zurück auf das Wagendach wuchtete.
„Wer soll denn das sein“, schnaufte der Diener, der am anderen Ende der Truhe angepackt hatte.
„Keine Ahnung, aber ich denke, der liebe Gott wird mein Dankgebet schon an den Richtigen weiterleiten.“
„Gibt es vielleicht auch einen Schutzheiligen für Hausdiener, dann komme ich gleich mit, vielleicht hilft es ja“, meinte der Diener und schaute sich vorsichtig nach seiner Herrin um. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Die Damengesellschaft war plötzlich nicht nur in Aufregung geraten, sondern schon in Auflösung begriffen, und das nur, weil einige Kühe hinter einem Hügel aufgetaucht waren und sich nun neugierig glotzend näherten. Unter Zurücklassung ihrer Picknickausrüstung flüchteten die Damen in recht unfeinem Galopp, nämlich mit über den Knien gerafften Röcken, über die Wiese und suchten in der Kutsche vor dem wehrhaft aussehenden Vieh Zuflucht. Gewiss hätten beide Dienstleute die Angelegenheit amüsant gefunden, wenn die Damen nicht mit ihrem Gekreische die Pferde scheu gemacht hätten.
Blitzschnell drückte der Kutscher dem Diener die Zügel mit der Anweisung in die Hand, die Lederriemen ja fest im Griff zu behalten, dann warf er sich mit seinem Gewicht in die Zäumung der beiden vorderen Gespannpferde. Er hatte seine Mühe, die Tiere zurückzuhalten, ließ aber nicht locker.
„Brr, schön ruhig. Das sind nur die närrischen Weibsbilder, haben Angst vor ein paar Hornviechern, als wenn es der Teufel persönlich wäre. Schön ruhig, meine Schönen, brr.“ Geduldig redete er auf die Pferde ein, die seiner Stimme vertrauten und nur noch ängstlich die Augen verdrehten. Aber die Scheuklappen in Augenhöhe
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