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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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unergründliche Miene auf, womit zweifelhaft blieb, ob der alte Kaufmann die Ansicht seines Gastes teilte.
    „Wie auch immer, es geht ja darum, dem jungen Mann auf die Spur zu kommen. Also bin Ihrer Bitte nachgekommen und habe mich ein wenig umgehört.“ Der Prinzipal war in der Lage, seinem facettenreichen Gesicht einen beunruhigenden Ausdruck zu verleihen. Franz begann das Herz schneller zu schlagen und er meinte, das Blut in seinen Adern rauschen zu hören. Gebannt starrte er den Kaufmann an.
    „Ihr Bruder war an dem bewussten Freitag in der Tat in Begleitung. Ich konnte in Erfahrung bringen, ein sehr großer, kräftiger junger Mann habe ihn an der nächsten Straßenecke angesprochen. Es folgte ein heftiger Disput, dann gingen beide gemeinsam fort. Aber der junge Graf folgte unter Umständen nicht freiwillig, jedenfalls erschien es meinem Gesprächspartner so.“
    Franz schluckte, „groß und kräftig“ war eine Beschreibung, die auf viele Mecklenburger zutraf. Er versuchte die gedanklichen Bilder aus dem anatomischen Kabinett zu verdrängen.
    „Das ist wirklich sehr interessant“, bestätigte er. „Hat Ihr Gesprächspartner den Wartenden beschrieben? Welche Kleidung er getragen oder ob er etwas bei sich gehabt hat.
    Bitte, Herr Borgwart, erinnern Sie sich, für mich ist jede Kleinigkeit wichtig.“
    „Er soll gut betucht gewesen sein, war gewiss kein Arbeitsmann. Er habe einen Zylinder getragen, so sagte man mir, sogar einen Spazierstock dabeigehabt.“
    Franz nickte. Er erinnerte sich an aufgedunsene große Hände mit manikürten Fingernägeln. Ein neuer Verdacht jagte ihm eisige Schauer über den Rücken. Aber er gestattete seinem Hirn noch nicht, seine Erkenntnisse logisch zu verarbeiten.
    „Vielen Dank, Herr Borgwart, Sie haben mir wirklich sehr geholfen und ich möchte mich gern erkenntlich zeigen.“ Franz hatte nach dem Bemühen der Floskel eher gespielte Bestürzung seitens des Prinzipals erwartet, doch der grinste wider Erwarten vielsagend.
    „Oh, es freut mich außerordentlich, Ihnen in dieser delikaten Angelegenheit geholfen zu haben. Aber ich denke, noch mehr für Sie tun zu können.“ Das Grinsen wurde breiter. Borgwart griff in seine Rocktasche und schob wortlos drei fein säuberlich versiegelte Briefe über den Tisch. Dann konnte er doch nicht länger an sich halten und kommentierte seine Bemühungen: „Diese kleinen weißen Geheimnisse hat man mir freundlicherweise für Sie mitgegeben, selbstverständlich erst, nachdem ich mich für Sie verbürgt habe.“
    Franz war sprachlos, doch dann reifte in ihm die Erkenntnis, Borgwart dürfte einige Taler angelegt haben, um den Postbeamten zu der Freundlichkeit zu bewegen. Franz war ein bisschen unwohl, er rutschte auf seinem Sessel hin und her, weil ihm klar wurde, er habe sich tatsächlich erkenntlich zu zeigen.
    „Wie hoch war doch gleich das Guthaben meines Bruders? Wenn ich mich recht entsinne, betrug es noch 450 Taler.“
    „Wenn Sie es sagen, Leutnant von Klotz!“, erwiderte Borgwart mit einem Grinsen, das sich tatsächlich noch hatte steigern können. „Wie viel soll ich ausbezahlen?“
    „Fünfzig werden vorerst reichen.“
     

Wenn jemand eine Reise tut, ...
     
    Baronin von Plessen machte gute Miene zum bösen Spiel, welches mecklenburgische Wege und Straßen, wenn letztere die Bezeichnung überhaupt verdienten, ihrer Equipage bereiteten. Außerdem laborierte Madame an einer Übelkeit, die durch heftiges Schaukeln ihres zu gut gefederten Wagens verursacht worden war und als Symptom einer Seekrankheit hergenommen werden konnte. Der Gleichgewichtssinn wurde bei dieser Art des Reisens über Gebühr strapaziert. Angestrengt fächelte sie sich Luft mit einem riesigen Fächer zu, hinter dem sie sich zugleich vor den Blicken der Mädchen versteckte. Margitta reichte unbefangen eine Schachtel mit köstlich duftenden Pralinen herum, als Baronin von Plessen, grün im Gesicht, dem Kutscher durch energisches Klopfen zu verstehen gab, auf der Stelle anzuhalten.
    Der mitreisende Diener stürzte von seinem erhöhten Sitzplatz auf dem Kutschbock zum Wagenschlag und beeilte sich, seiner Herrin beim Aussteigen behilflich zu sein. Er überließ sie der Obhut eines Gebüsches, hinter dem kurz darauf würgende Geräusche zu vernehmen waren.
    Auch alle anderen Insassen nutzten den unfreiwilligen Aufenthalt, um der Enge der Kutsche zu entfliehen. Es war eine gute Gelegenheit, endlich einmal alle Glieder zu strecken und die Beine zu

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