Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
festhielt, sie schließlich auf seinem Arm platzierte. Johanna wagte es, etwas dichter an ihren Begleiter heranzurücken.
Baronin von Plessen behielt recht!
Alles war großartig! Das Meer, der Strand, die Landschaft, die vielen Menschen, das säulenverzierte Gesellschaftshaus, das Wetter und ... Christian.
Johanna genoss den Augenblick mit der Absicht, ihn als etwas Besonderes in Erinnerung zu behalten.
An einer kleinen weiß getünchten Halle, deren meerzugewandte Seite offen war, wartete Demoiselle Engelmann auf ihren Schützling. Dort erholten sich einige Damen von der anstrengenden Promenade und musterten die Ankömmlinge wohlwollend. Die beiden Pärchen boten aber auch für jeden Betrachter einen erfreulichen Anblick.
„Hier muss ich mich leider für eine Weile von Ihnen verabschieden, Komtesse.“ Stetten sprach so feierlich, unwillkürlich umfasste Johanna seinen Arm fester. „Dort sind die Stege zu den Badekarren, die von der Damenwelt benutzt werden. Sie möchten gewiss ein Bad nehmen“, sagte er mit einer Kopfbewegung in Richtung See. Johanna folgte seinem Blick.
„O ja, selbstverständlich, ein Bad“, stammelte sie und blickte zweifelnd aufs Meer. Aber außer ein paar Stegen zwischen den erwähnten Badekarren gab es keine nackten Leiber preis. Sie schaute sich um. Die Damen in der Wartehalle machten allesamt einen soliden und gesunden Eindruck, jedenfalls ließ sich von ihrem Äußeren keine dringende medizinische Indikation für eine Kaltwasserkur ableiten. Sollten alle diese Frauen tatsächlich freiwillig, mit Genuss und zudem nackt in die See steigen?
Johanna richtete sich innerlich auf und fasste einen Entschluss. „Ja, ich werde baden gehen“, brachte sie fast trotzig hervor. Ihre Antwort sollte ihr selbst Mut machen und mit ihrer öffentlichen Verkündung zugleich sicherstellen, dass sie keinen Rückzieher machte.
„Zur Promenade werden wir die Damen hier abholen, wenn es Ihnen recht ist.“
Natürlich war es den Damen recht. Die Offiziere grüßten höflich in die Runde. Anschließend suchten sie das Herrenbad auf, das am anderen Ende des Bades eingerichtet worden war.
Die Mädchen blieben nicht lange sich selbst überlassen. Sie wurden von den Frauen in der Halle rasch in ein Gespräch verwickelt.
„Sie sind wohl erst kürzlich angekommen, nicht wahr?“
Stummes Nicken der beiden löste angeregtes Geschnatter aus, das den Mädchen bestimmt von Nutzen gewesen wäre, wenn nicht alle Frauen gleichzeitig vorgehabt hätten, gut gemeinte Ratschläge anzubringen.
„Aber, aber, meine Damen!“, beschwichtigte eine würdevolle Matrone mit erhobener Stimme. Sie konnte sich auch auf Anhieb Gehör verschaffen. „Wir machen ja den armen Mädchen Angst, wenn wir so über die reizenden Geschöpfe herfallen. Lassen Sie sie erst einmal eigene Erfahrungen sammeln. Ich stehe gern zurück und überlasse unseren neuen Gästen den Vortritt. Möchte sich noch jemand an meinem Angebot beteiligen?“
Es beteiligten sich ausnahmslos alle Damen und so kam es, dass Johanna eher als gedacht einen der drei Stege betrat. Ihre ersten unsicheren Schritte wurden von den guten Wünschen der so überaus freundlichen und zuvorkommenden Damengesellschaft begleitet.
Der Steg war mit Segeltuch bespannt, ihn flankierten zwei Karren, die neben vier weiteren Gefährten gleicher Bauart in der See aufgereiht standen. Johanna lächelte zu Margitta hinüber, die gerade die benachbarten Planken betrat und ebenso tapfer gute Miene machte. Johanna hatte von den Damen erfahren, immer der Karren sei frei, dessen rückwärtiges Verdeck hochgerafft worden war.
Sie zeigte einem herbeieilenden Badediener ein Billet, das sie bereits am Morgen unter den Augen der Baronin erworben hatte. Es wurde einbehalten. Im Gegenzug erhielt sie ein großes Handtuch. Der Badediener begleitete sie über eine Planke hinweg in den Wagen, ließ ihr das Verdeck herunter, stellte ihr frische Badepantoffeln bereit und zog sich diskret zurück.
Johanna fand eine gut ausgestattete Umkleidekabine vor, die sie von innen verriegeln konnte. Allein und plötzlich vom eigenen Vorhaben beeindruckt war sie doch versucht, zu kneifen, zumal sie sich einredete, es bemerke niemand, wenn sie nicht badete.
Dennoch öffnete sie die hintere Tür ihres Refugiums. Unter einer farbenfrohen Markise hob und senkte sich sanft glucksend das Meer. Der Anblick war einladender, als Johanna es vermutet hatte. Eine Stiege führte bequem ins Wasser, das an dieser Stelle
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