Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
selbstbewusst, wie man es von ihm gewohnt war.
Der Graf atmete auf. Also stand seine angeschlagene Finanzsituation dem Geschäft nicht im Wege, es war ihm sogar erspart geblieben, preiszugeben, sich nicht einmal das Schnäppchen Kussewitz leisten zu können. Erst jetzt bemerkte er seine Anspannung, die nun langsam von ihm abfiel.
Er sah dem Mann in die Augen, der ihm gegenübersaß und wie die liebe Sonne strahlte. Hinter der freundlichen Fassade arbeitete ein wacher Verstand, ein fein entwickeltes Gespür dafür, günstige Gelegenheiten nicht ungenutzt vorüberziehen zu lassen. Das waren Eigenschaften, die der Graf schätzte, auch an sich schätzte. Nur zurzeit fehlte ihm eine wichtige Grundvoraussetzung, um etwas damit anzufangen, nämlich Kapital! Borowsky schien die Bresche schließen zu können.
„Wie haben Sie sich unsere Partnerschaft vorgestellt, mein lieber Freund?“, fragte der Graf, Borowskys Lächeln erwidernd.
„Ich habe gewusst, wir werden uns einig“, jubelte der. „Wie steht es um Ihre Kartoffeln dieses Jahr?“ Borowsky winkte jedoch ab. „Eher schlecht, ist zu vermuten“, stellte er trocken fest. „Warum sollte es bei Ihnen anders sein. Das Frühjahr war viel zu kalt und zu trocken und der Frühsommer zu nass. Was haben Sie für Sorten im Anbau ...“
Während die beiden fachsimpelten, kam Pistorius von seinem unvermeidlichen Gang zurück. Sofort wurde er mit diversen Fragen bestürmt, welche Knollen sich am besten zum Brennen eignen würden. Kurzum, die Männer steckten die Köpfe zusammen und schmiedeten Pläne für das kommende Jahr.
Als man sich organisatorischen Dingen zuwendete, schlug Borowsky arglos vor: „Wenn Johann seine Studien beendet hat, könnte er sich aussuchen, wo er arbeiten will.“ In seinem Eifer bemerkte er das nervöse Flackern in den Augen des Grafen nicht.
„Stein wäre mir als Pragmatiker genauso lieb, aber ich denke, Johann wäre der richtige Mann für unser Vorhaben. Er ist jung, noch nicht eingefahren, klammert sich gewiss nicht an althergebrachte Methoden. Sein Ehrgeiz wird ihn zusätzlich anstacheln. Der Erfolg wäre quasi garantiert.“ Borowsky hatte sich in Begeisterung geredet, seine nächste Frage schien rein rhetorischer Natur zu sein: „Oder was meinen Sie dazu, Graf“, erkundigte er sich, damit die Angelegenheit überhaupt einmal zur Diskussion gestellt wurde.
„Ja, ich weiß nicht recht. – Sie wissen doch“, druckste der Graf herum und streifte Pistorius mit einem gequälten Blick.
„Ach, das ...“ Borowsky machte eine ungeduldige Handbewegung, was den Grafen seltsamerweise beruhigte. Weil Borowsky mit dem eigenen Sohn Ähnliches erlebt hatte, schrieb er seinem Nachbarn eine gewisse Kompetenz zu. Borowsky wusste, was er als Vater gegenwärtig durchmachte. Wie irreal seine Zuflucht in Zweckoptimismus war, verdrängte er einfach.
„Wenn Sie nach Ludwigslust zurückkehren, liegt ein Brief für Sie bereit. Da bin ich mir sicher“, verkündete Borowsky mit wohltuender Gewissheit. Die verheißungsvolle Aussicht verfehlte ihre Wirkung nicht. Auch der Graf nickte und straffte seine Schultern.
„Ja, Johann würde sich gewiss mit Feuereifer auf die neue Aufgabe stürzen“, bestätigte er. Es tat ihm gut, sich seinen ältesten Sohn als Landwirt und Herrscher über viele ritterschaftliche Hufen vorzustellen. Zuversicht befreite seine Gedanken und gab Raum für allerhand Ideen. Plötzlich stockte ihm der Atem. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zu Borowsky hinüber
„Was haben Sie, Graf“, fragte der sofort besorgt.
„Mir ist etwas eingefallen“, stieß der Graf atemlos hervor, beherrscht von seinem großartigen Gedanken. „Es ist nicht nur der Schnaps, der Gewinn abwerfen wird“, sagte er fast beschwörend. In seinen Augen glänzte die Gier.
Borowsky leckte sich nervös die Lippen, die Aufregung des Grafen griff auch nach ihm. „Nun, reden Sie schon! Oder soll ich vor Ihren Augen vor Neugier zerspringen?“, fragte er und beugte sich genauso wie Pistorius über den Tisch, damit der Graf nicht lauter als nötig sprechen müsse.
„Kussewitz hat an der Elde einen kleinen Hafen“, beschrieb der Graf. „Nichts Großartiges, aber für Lastkähne schiffbar. In drei Tagen können die Schiffer in Hamburg sein.“
„Ja, das ist doch kein Geheimnis.“ Borowsky klang ernüchtert. „Außerdem wird Schnaps nicht schlecht, sondern durch eine lange Lagerung immer besser.“
Der Graf wischte den Einwand mit einer flüchtigen Geste
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