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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Lebens einfach begegnet. Sie hatten ihre Urteile nicht unter dem Einfluss von Voreingenommenheit oder kindlich naiver Eifersucht gefällt.
    Seine Kommilitonen hatten bis dahin gewiss sehr unterschiedliche Entwicklungen genommen. Am Studienort waren sie frei von patriarchalischer Bevormundung und konventionellen Zwängen aufeinandergetroffen, waren Gleiche unter Gleichen gewesen, hatten ihre Kräfte gemessen und Sympathien oder Antipathien ausgelotet.
    Franz war der Meinung, er habe eine solche Wahl nie gehabt. Johann war für ihn immer der ältere Bruder geblieben, derjenige, den das Geburtsrecht bevorzugte. Er konnte nicht sagen, woher seine kindliche Ablehnung stammte, die er Johann nur allzu oft hatte spüren lassen. Die Mutter hatte daran keine Schuld getragen. Sie hatte ihre drei Kinder gleichermaßen geliebt und verwöhnt. Wenn sie Johanna einmal mehr gedrückt und geherzt hatte, so war das nur natürlich, schließlich war die kleine Schwester ein Mädchen und ein zickiges obendrein. Franz suchte nach Erinnerungen, in denen die Schwester mal kein tränenüberströmtes Gesicht zur Schau gestellt hatte, um ihre Absichten durchzusetzen. Er lächelte in sich hinein, als er an den Ärger zurückdachte, den die vorgeschützten Gemütsausbrüche dem Knaben Franz Friedrich bereitet hatten.
    Die Gunst des Vaters zu erobern, war ein eindeutig schwierigeres Unterfangen geblieben, schon deshalb, weil er nicht oft zu Hause gewesen war.
    Johanna hatte selbstverständlich keinerlei Schwierigkeiten gehabt, den Vater um den berühmten kleinen Finger zu wickeln. Allein ihre Erscheinung als schleifenverziertes Engelchen war geeignet, dem Familienoberhaupt ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
    Wenn jedoch der Hauslehrer von Franz’ Streichen berichtete, dann gesellte sich zur Züchtigung vom „Pauker“ auch noch eine deftige Strafe von der Hand des Vaters. Franz hatte so manches Mal ein roter Hosenboden zugesetzt, doch Lehren hatte er keineswegs gezogen.
    Johann war nie Rebell gewesen. Niemals hatte er sich gegen den Lehrer oder den Vater aufgelehnt. Und so hatte das väterliche Lob für den älteren Sohn und Erben überwogen. Johann war Franz stets als das leuchtende Vorbild hingestellt worden. Solcherlei Praktiken hatten Franz fast zwangsläufig gegen den Bruder aufgebracht, obwohl Johann den brüderlichen Groll nicht geschürt hatte. Im zarten Knabenalter hatte Franz drastische Erziehungsmaßnamen in den seltensten Fällen mit dem eigenen Verhalten in Verbindung gebracht. Schuld waren meistens andere.
    Und nun saß er in Johanns Studierstube und bereute zutiefst die eigene Überheblichkeit, seinen falsch verstandenen Stolz, der ihm den Bruder fremd gemacht hatte. Er gestand sich ein, Hans-Georg wisse mehr über Johann als er selbst in seinen 22 Lebensjahren gnädigst zur Kenntnis genommen hatte.
    Wenn er Johanns defizitäre Fertigkeiten im Umgang mit blanken Waffen doch nur erahnt hätte, jede freie Minute hätte er mit ihm trainiert. Aber es hatte ihn nicht interessiert. Sich auf dem Polster des Helden auszuruhen, war doch weit bequemer gewesen. Dass Johann einmal mangelnde Fechtkunst zum Verhängnis werden könnte, daran hatte Franz keinen Gedanken verschwendet.
    Und nun? Blieb ihm tatsächlich nichts anderes übrig, als dem gemeinsamen Vater zu berichten, Johann sei nach einem Duell verschwunden und einer seiner Sekundanten sei vor Gram über die Ereignisse gestorben?
    Franz ließ den Kopf hängen. Für ihn sah es so aus, als sei dieser düstere Tag nur angebrochen, damit ihn all seine Unterlassungen einholen können. Er bedauerte, keine Korrespondenz mit Johann unterhalten zu haben, denn dann wäre der Bruder bestimmt kein rätselhaftes Wesen geblieben. Seine Ignoranz hatte ihn dazu verdammt, nur Vermutungen anstellen zu können. Vermutungen, die von einem mehr oder weniger Fremden innerhalb eines einzigen Gesprächs über den Haufen geworfen worden waren.
    Franz rief sich jedes Wort ins Gedächtnis zurück, das Hans-Georg über Johann hatte verlauten lassen.
    Der Bursche hatte eindeutig unter Schock gestanden, als sein ungebremster Redefluss losgebrochen war. Wahrscheinlich trug er schwer an seinem Wissen und dass seit Wochen. So hatte er Franz erzählt, er habe sich selbst unablässig damit getröstet, seinen Freunden sei gewiss nichts zugestoßen. Obwohl, wie er weiter eingestanden hatte, der Zeitungsbericht ihn maßlos schockiert habe, eigene Vermutungen ihn bis zur Verzweiflung gepeinigt hätten, habe er dennoch

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