Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
welche Rolle der Nachbar ihm zugedacht habe. Zwar wurden auf seinem Gut auch Kartoffeln angebaut, aber Hohen-Lützows Böden waren größtenteils zu schwer für die Knollen, die sandige Böden bevorzugen. Außerdem war es schwierig, Kartoffeln zu vermarkten, wenn der Ertrag einmal über den eigenen Bedarf hinausging. Im Winter, wenn die Wege einigermaßen zu befahren waren, konnten die Früchte oft wegen des herrschenden Frostes nicht transportiert werden. Und wenn es keinen Frost gab, versanken die Wagen mit ihrer schweren Fracht im unergründlichen Schlamm der Straßen. Da war es wirtschaftlicher, die Knollen von eigenen Schweinen und dem Hornvieh fressen zu lassen, dann veredelt in Form von Fleisch und Käse anzubieten. Doch wenn man aus den schweren und zudem leicht verderblichen Kartoffeln Schnaps brennen konnte, der, je länger er lagerte, immer besser zu werden versprach, dann war das gewiss eine lohnende Sache. Eine unbestimmte Hoffnung erfasste den Grafen.
„Wie viel Kartoffeln benötigen Sie für eine Gewinn versprechende Anlage“, fragte er vorsichtig. Er hatte Angst, seine Hoffnung verflüchtige sich wie Schnaps, dessen Fass nicht sorgsam verschlossen worden war.
„Ick kann in zwei Stunden aus 165 Pott Maische 19 Pott 40%igen Schnaps herstellen“, entgegnete Pistorius stolz und klopfte sich auf die gut gewölbte Brust.
Die Augen des Grafen weiteten sich. „Aber das ist doch ...“
„Unmöglich, meinen Sie?“, platzte Borowsky in seiner gewohnt lauten Sprechweise heraus. Doch jetzt senkte er wider Erwarten die Stimme. „Keineswegs, mein lieber Freund. Ich verspreche Ihnen das beste Geschäft Ihres Lebens!“ Seine Augen funkelten verheißungsvoll.
Der Herzschlag des Grafen beschleunigte sich. Trotzdem hielt er seine Begeisterung dezent zurück und streifte Pistorius mit einem Seitenblick. In Gegenwart des Fremden widerstrebte es ihm, das Gespräch auf die finanziellen Grundlagen des Geschäftes zu lenken.
Pistorius stand auf. „Ick muss ma dahin, wo och der Könich zu Fuß hinjeht“, meinte er grinsend und verzog sich zur Hintertür.
Borowsky benutzte die Gelegenheit, beugte sich über den Tisch und flüsterte fast. „Na, was ist? Sind Sie dabei?“
Der Graf zupfte nervös an seinem Rockärmel. „Jetzt, wo Sie mich hinzugezogen haben, kann ich kaum ablehnen. Nicht, dass ich mich mit einer solchen Absicht trüge“, warf er hastig ein, als befürchte er, Borowsky könnte sein Angebot zurücknehmen. „Nur, was erwarten Sie von mir?“, fragte er rundheraus.
„Ist das nicht offensichtlich?“
Nun war sie heraus – die gefürchtete Frage. Musste er Borowsky nun doch eingestehen, kein Geld für eine Beteiligung zu haben? Oder würde es Borowsky an seiner Miene ablesen können, obwohl er aufrichtig bemüht war, Gleichmut auszustrahlen? Er schluckte und holte tief Luft. „Ich habe ...“
„... Erfahrungen eines Menschenalters als Landwirt, einen fähigen Verwalter und einen in den kameralen Wissenschaften beschlagenen Sohn“, zählte Borowsky auf.
Beim letzten Wort zuckte der Graf zusammen. Die Sorge um Johann traf ihn so brutal wie ein unvermittelter Faustschlag.
Borowsky bemerkte den Schatten nicht, der über das Gesicht seines Nachbarn huschte. Er schwelgte in seinen Visionen: „Zuerst dachte ich an ein Gut im brandenburgischen Preußen, aber dann kam mir der Zufall zu Hilfe“, plauderte er. „Ganz in unserer Nähe steht das Anwesen des alten Kussewitz’ zum Verkauf. Hat endgültig abgewirtschaftet, der alte Knabe“, mutmaßte er. „Soviel verstehe ich auch vom Landbau, dass Kartoffeln viel besser in leichten Böden gedeihen. Und die Ecke vom Kussewitz scheint eine echte Sandbüchse zu sein. Dort soll man sich über das dritte Korn am Halm gefreut haben, trotzdem werden die Erdäpfel prächtig geraten.“
„Sie wollen das Rittergut Kussewitz kaufen?“, fragte der Graf ungläubig. Auch er hatte von den Schwierigkeiten seines Nachbarn in westlicher Richtung gehört. Solche Gerüchte verbreiteten sich von Mund zu Mund schneller als mit der Großherzoglichen Post. Gerade deshalb achtete der Graf stets darauf, eigene Befindlichkeiten unter Verschluss zu halten.
„Ich will nicht ...“ Borowsky machte eine Pause und widmete dem Grafen einen langen Blick.
Er will mir hoffentlich nicht vorschlagen, ich solle die marode Wirtschaft erwerben, fragte sich der Graf bestürzt.
„Ich habe bereits gekauft“, verkündete sein Nachbar kurz darauf, diesmal so lautstark und
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