Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
schmucklosen Kommode zu schaffen. Er zog eine Pistole hervor und überprüfte mit fachmännischem Blick deren Zündpulver. Die Kontrolle fiel nicht zu seiner Zufriedenheit aus. Er kratzte die Zündpfanne aus und schüttete neues Schießpulver darauf. Den Pulverbehälter hatte er ebenso schnell aus den Tiefen des Möbels hervorgezaubert wie zuvor die Waffe.
„Bei der verdammten Feuchtigkeit überlasse ich lieber nichts dem Zufall“, kommentierte er seine Beschäftigung. Er schaute missbilligend zum Fenster, an dessen Scheiben Regentropfen perlten. Als er bei einem Seitenblick Franz’ Kiefermuskulatur angespannt arbeiten sah, erklärte er: „Ich konnte es mir noch nicht abgewöhnen, so ein Ding ständig griffbereit zu haben. Wer weiß, wozu es gut ist?“, orakelte er.
Bevor Franz Einwände gegen die Schusswaffe erheben konnte, nestelte Christian einen Umhang von einem Kleiderhaken, wickelte ihn lässig um den rechten Arm und ließ so die Pistole unsichtbar werden.
„Du holst ihn aus dem Saal. Ich nehme ihn draußen freundlich in Empfang“, schlug er vor.
Franz schnaubte ärgerlich und beäugte misstrauisch das Bündel an Christians Arm.
„Willst du einen Skandal unter den Augen des Feldmarschalls und des Großherzogs einschließlich versammelten Hofstaats riskieren?“, fragte er stirnrunzelnd.
Christian grinste. Ihm war nicht entgangen, welche Reihenfolge Franz bei seiner Aufzählung gewählt hatte. „Vertrau mir! Es wird keinen Skandal geben“, versicherte er. „Oder hast du eine bessere Idee?“
„Nein“, musste Franz eingestehen. Doberan war ihm nur geeigneter als Rostock erschienen, um Lapérouse abzupassen. Mit den vielen belebten Straßen und Plätzen der Hafenstadt kannte er sich noch nicht gut genug aus, um es dort mit einem ortskundigen Gegner aufzunehmen. Dagegen war der Flecken Doberan überschaubarer. Fremde fielen eher auf, obwohl auch hier durchaus die Gefahr bestand, die Übersicht zu verlieren. Doch die Erscheinung eines Lapérouses war hoffentlich auffällig genug, dachte er, was eigentlich keine gute Voraussetzung für einen Spion war. Ein zynisches Grinsen verzerrte seinen Mund.
„Gehen wir“, sagte er entschlossen.
Die Männer hatten kaum das Flügelgebäude des Logierhauses hinter sich gelassen, als sie feststellten, dass etwas nicht stimmte.
Auf der Promenade standen aufgeregt gestikulierende Gäste, die sich gegenseitig mit Mutmaßungen versorgten. Man stand erwartungsvoll auf den Zehenspitzen und reckte die Köpfe, nur um irgendetwas von dem mitzubekommen, was sich offenbar weiter vorn abspielte.
Franz und Christian warfen sich einen bedeutsamen Blick zu.
„Verdammt!“, fluchte Franz ahnungsvoll. Er drängelte sich rücksichtslos durch die zusammengeströmte Masse schaulüsternen Publikums, und wünschte seine gute Erziehung zum Teufel. Christian versuchte ihm zu folgen und murmelte gleich dutzendweise Entschuldigungen, wenn wieder jemand empört zur Seite wich, dem Franz mal mehr, mal weniger unsanft in die Seite gestoßen hatte. Zugleich versuchte er aus dem summenden Stimmengewirr Sachdienliches herauszufiltern. Er schnappte Schlagwörter wie „Betrüger“ oder „Falschspieler“ auf.
„Verdammt“, presste auch Christian hervor. Die Anschuldigungen passten höchstwahrscheinlich auf einen jungen Mann, der gerade dem starken Arm des Gesetzes in Gestalt des Amtshauptmannes übergeben werden sollte.
Christian gab seine Zurückhaltung auf und drängte sich mit finsterer Miene, die jeden Widerspruch erfolgreich im Keim erstickte, zum eigentlichen Geschehen vor.
„Bitte meine Herrschaften!“, hörte er die Respektsperson rufen, die in Doberan die landesherrliche Gewalt vertrat. „Der Übeltäter ist dingfest gemacht. Bitte lassen Sie mich meines Amtes walten und gehen Sie wieder Ihrer Promenade oder anderen Verrichtungen nach!“ Der Amtshauptmann schaute gebieterisch über die Masse, ohne jemanden zu fixieren. Das Publikum folgte seiner Aufforderung nur sehr widerstrebend, bildete aber bereitwillig eine Gasse, als ein paar Leibgardisten der Großherzoglichen Wache im Laufschritt eintrafen.
„Ist er das?“, zischte Christian, den Blick starr auf den jungen Mann gerichtet, der von mehreren beherzten Männern, vermutlich den betrogenen Mitspielern, aus der Spielbank gezerrt wurde.
„Dieser vermaledeite Hundesohn!“, schimpfte Franz. „Hätte der Idiot nicht noch ein paar Minuten mit seinen lächerlichen Betrügereien warten können?“
„Er ist es
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