Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Sie soll damals auf der Flucht an Typhus erkrankt sein. Doktor Hufeland, ihr aufopferungsvoller Begleiter ...“
„Hufeland!“, rief Ahrens und klatschte in die Hände, „fabelhafter Mensch, nicht nur als Arzt. Wurde etwas später an der neu gegründeten Universität zu Berlin Professor der Medizinischen Fakultät. Habe seine Vorlesungen stets genossen.“ Auf Ahrens’ Wangen bildeten sich rote Flecke vor Aufregung.
„Genau der“, entgegnete Franz.
„Die Gründung der Universität zu Berlin war für mich persönlich ein Glücksfall“, strahlte Ahrens, doch sein Lächeln erstarb, als er hinzufügte: „auch wenn sie mit der Schließung der Universität zu Halle einherging.“
Franz nickte. „Nach der Besetzung Berlins durch französische Truppen habe ich selbst nicht mehr daran geglaubt, meine militärische Ausbildung erfolgreich abschließen zu können. Das preußische Heer ist derart beschnitten worden ..., aber lassen wir das, die Zeit liegt Gott sei Dank hinter uns. Jedenfalls habe ich als junger Bursche tatsächlich erwogen, meinen Dienst zu quittieren, bevor er richtig begonnen hat.“
„Und was hat Sie letztendlich davon abgehalten?“
„Zuerst mein Ehrenwort, dann meine Erziehung und meine Lehrer, allen voran Oberst Boguslawski. Sie haben gewiss von General Scharnhorst gehört?“
„Selbstverständlich. Meines Wissens ist der General bereits in der ersten Schlacht des letzten Krieges tödlich verletzt worden. Ein großer Verlust − nicht nur für Preußen.“
Ahrens starrte Franz an, der bei der Erinnerung an den großen Toten in Trübsal zu verfallen schien.
Zur Aufmunterung des hübschen jungen Mannes stellte die dralle Bedienung das nächste Bier auf den Tisch.
„Na min Söten, drink wat, denn geiht di dat gliek een lütt bät’n bäder“, so ihr gut gemeinter Kommentar.
Franz lächelte und nickte. Es blieb dahingestellt, ob er damit Ahrens’ Feststellung oder der Bemerkung der Bedienung zugestimmt hatte.
„Ja“, sagte er. „General Scharnhorst ist maßgeblich an der Reform des alten Heereswesens beteiligt gewesen, das noch aus Friedrichs Zeiten stammte. Scharnhorst meinte, Preußen habe sich zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Besonders die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht hat mich etwas Mut schöpfen lassen, auch wenn all das gewissermaßen unter der Hand geschehen ist. Oberst Boguslawski, den ich vorhin erwähnt habe, hat eine umfassende wissenschaftliche Bildung auf der Allgemeinen Kriegsschule eingeführt.“
„Ich habe, wie bereits gesagt, auch in Berlin studiert“, platzte Ahrens dazwischen, „vielleicht sind wir uns ‚Unter den Linden‘ einmal begegnet und haben es nicht einmal bemerkt.“
„Wann ist das gewesen?“
„In den Jahren 12 und 13.“
Franz zog die Brauen hoch. „Dann haben wir uns knapp verpasst. Nach meinem 18. Geburtstag habe ich als Sekondleutnant bei der Truppe gedient.“
Ahrens lief ein Schauer über den Rücken. Er erinnerte sich gut an die aufregende Zeit in Berlin. Scharen seiner Kommilitonen hatten sich als Freiwillige gemeldet und sich dem Heer angeschlossen, um gegen den Franzosenkaiser zu kämpfen. 1813 hatte der Lehrbetrieb der Universität so sehr unter Studentenmangel gelitten, dass er beschlossen hatte, sich in Greifswald einzuschreiben. Außerdem war er in der schwedisch-pommerschen Universitätsstadt nicht mehr den missbilligenden Blicken der Berliner ausgesetzt gewesen. Damals gehörte es sich nämlich nicht, als gesunder junger Mann nicht Soldat zu sein. Der Arzt wurde aus seinen Erinnerungen gerissen, als Franz das eigene Resümee fortsetzte.
„Ich begann mich damit abzufinden, meine Karriere als Offizier im zusammengeschrumpften Vasallenheer unter Napoleons Knute abzudienen, als unser Generalmajor Yorck seinen genialen ‚Hochverrat‘ beging.“ Franz bemerkte plötzlich das unverhohlene Interesse der Tischgenossen, die in Hörweite saßen. Alle starrten ihn erwartungsvoll an.
„Hochverrat und preußischer Generalmajor? Wie passt so was zusammen?“, wollte folgerichtig einer der unfreiwilligen Zuhörer wissen. Franz blickte über den Tisch; Tabakrauchschwaden trübten das schwache Licht der Öllampe, die von der Decke herabhing. Der Frager blieb im Schatten sitzen.
„Nun, mein Herr“, erwiderte Franz, „das kam so. Im Jahre 12 stand Napoleon in Russland, wie Sie fraglos wissen. Die Kampfhandlungen hatten sich weit ins Jahr hineingezogen. Dem russischen Heerführer war es durch sein Hinhalten
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