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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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der ihm aufgefallen war. Er hielt ein Rezept in der Hand. Mit den lateinischen Begriffen, die für den Apotheker bestimmt waren, konnte er nichts anfangen. Das, was ihn hatte aufmerken lassen, war der Name des ausstellenden Arztes gewesen.
    „Dr. Ernst Ahrens“, murmelte er vor sich hin. Der bekannte Name erinnerte ihn an die Verabredung für die Inanspruchnahme seines Schmerzensgeldes. Er sprang auf, stopfte sich das Rezept in die Rocktasche und überprüfte in einem kleinen Spiegel neben der Zimmertür seine Frisur.
    Entweder war der Spiegel angelaufen oder er hatte tatsächlich Rußflecken im Gesicht. Er dachte an das verbrannte Abendbrot seiner Wirtin, nahm seine Halsbinde ab, zog sich dann doch Rock und Hemd aus und goss sich Wasser in eine Waschschüssel, um sich frisch zu machen. Die Hemden aus seinem Gepäck hatten noch den Duft der Hohen-Lützower Streuobstwiesen an sich, auf denen sie gebleicht worden waren. Genüsslich sog Franz den Geruch von Timotheus ein. Seinen Rock bürstete er noch ein bisschen ab und machte sich dann auf den Weg in die Gaststube.
    Als er die knarrenden Stufen hinunterstieg, fiel ihm die schwere Eichenholztür zur Straße ins Auge. Es war anzunehmen, Mudder Schultzen würde die verriegeln, bevor sie zu Bett ginge. Also blieb nichts anders übrig, noch um einen Schlüssel zu bitten und so klopfte er abermals an die Küchentür, aber diesmal wurde ihm nicht aufgetan. Er schaute sich ernüchtert um. Es gab auch vom Hausflur aus einen direkten Zugang zum Hof. Franz trat hinaus.
    Die alte Frau saß immer noch auf der Bank. Ein gleichmäßiges Geräusch, das Franz unschwer als Schnarchen erkannte, ließ ihn zögern. Er tat ihm leid, sie aus ihrem segensreichen Zustand zu reißen, doch er musste sie wohl oder übel wecken, wollte er nicht auf der Straße nächtigen. Er berührte sanft ihre Schulter, das Schnarchen brach ab, das war aber auch schon alles. Nach einer kleinen Weile verstärkte sich das Atemgeräusch von neuem. Franz griff beherzter zu. Mudder Schultzen grummelte vor sich hin und regte sich unwillig. Mit einem Auge blinzelte sie den Störenfried an.
    „Wat is denn noch, min Jung’.“ Sie gähnte ungeniert und rieb sich die Augen. Dann schien sie erst ihre Umgebung wahrzunehmen und blinzelte ihn an.
    „Ich möchte ausgehen und Sie um einen Schlüssel für den Torgang bitten.“
    „Schlüssel? Ach ja!“ Sie griff in ihre Schürzentasche und holte ein ziemlich großes Exemplar hervor.
    Als Franz das schwere Eisenstück in der Hand wog, sagte sie nur: „Tja, das Haus ist alt und der Schlüssel auch. So lange ich lebe, wird es auch leben. Was nach mir kommt, macht mir keine Sorgen mehr.“
    Franz wusste nicht recht, was er zu ihren philosophischen Betrachtungen sagen sollte. Er stand unschlüssig da.
    „Machen Sie sich nur auf den Weg. Man wird Sie für einen Studenten halten und die müssen, sagte man mir, um 10.00 Uhr abends die Gaststuben verlassen.“
    Franz machte auf dem Absatz kehrt und ging.
    „Schließen Sie hinter sich von außen zu!“, rief sie ihm noch nach.
     
    Nachdem Franz belustigt Überlegungen darüber angestellt hatte, was er sonst hätte tun sollen, kehrten seine Gedanken zu seinem Bruder zurück. Er betastete den Zettel in seiner Rocktasche.
    War Johann krank? Aber falls es so war, weshalb hatte er dann das Rezept nicht in einer Apotheke eingelöst? War er nicht mehr dazu gekommen oder hatte er es absichtlich nicht getan?
    Jedes neue Mosaiksteinchen, das zum Bild des Bruders passen sollte, warf neue Fragen auf. Franz begriff, dass es ein äußerst mühsames Unterfangen sei, etwas Aussagefähiges zusammenzubringen.
    Er überquerte den Hopfenmarkt und musste aufpassen, nicht von den Handkarren der Händler angefahren zu werden, die ihre Verkaufsstände räumten. Ein Esel schmetterte seinen Ruf über den Platz und bekam tatsächlich von irgendeinem Hinterhof Antwort. Das tierische Konzert amüsierte Franz. Er erreichte bald die Seitenstraße, in die er einbiegen musste. Auch hier war die nachmittägliche Ruhe vom Gedränge des Abends abgelöst worden. Kinder spielten auf der Straße und Nachbarn unterhielten sich angeregt miteinander.
    Franz stieß die Tür zum Wirtshaus auf und musste einen Moment warten, damit seine Augen sich an den schwach ausgeleuchteten Gastraum gewöhnten. In der Luft schwebten Rauchwolken ungezählter Pfeifen, die süßlich-scharfen Tabakduft verbreiteten. Jemand winkte ihm zu. Franz schob sich durch die engen Bankreihen,

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