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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Forke. Sie war hinter die flache Bretterkarre gefallen, die zum Ausmisten diente. Das umherirrende Kalb hatte sie wahrscheinlich umgestoßen.
    Die Ratte war schnell zum Verrotten im Dunghaufen versteckt und nachdem alles wieder an seinem Platz stand, die Lampe sorgfältig gelöscht war, verschloss Stein den Stall. Draußen umfing ihn die Ruhe der Nacht. Aber auf dem Gut war es niemals totenstill. Schon in der nächsten Sekunde konnten freiende Kater losjaulen und mit ihrem herzzerreißenden Gesang wütendes Hundegebell provozieren.
    Ein Käuzchen verriet sich nur durch seinen Schatten in der silberhellen Mondnacht. Stein beobachtete den lautlosen Flug. Er freute sich über den Mäusefänger, der unter dem großen Scheunendach seine Jungen aufzog.
    Stein sog den schweren Duft von taufeuchter Luft, Kuhmist und Sommerkräutern ein. Dabei dachte er an Franz, seinen jugendlichen Freund. Er fragte sich, wie es ihm in der Stadt auf der Suche nach dem Bruder ergangen sei.
    Seine Gedanken verweilten einen Augenblick bei Johann, den er wegen seiner Korrektheit und fachlichen Kompetenz schätzte. Stein hoffte für die gräfliche Familie, für das Gut und auch für sich, alles kläre sich schnell und vor allen Dingen zum Guten auf.
     

So wie Gott euch schuf
     
    Johanna war schon wach und beobachtete ihre schlafende Freundin. Margitta war ein knappes Jahr älter. Ihre ebenmäßigen Züge hatte der Schlaf geglättet, keine ihrer sonst so lustigen Fratzen huschte über ihr Gesicht. Lange, rötlich schimmernde Wimpern ruhten auf makellos heller Haut. Ihre schmale Nase bot einen interessanten Kontrast zu vollen Lippen und machte den Reiz ihres Gesichtes aus.
    Aber am meisten beneidete Johanna die Freundin um das üppige Haar, das ihr in sanften Wellen über die Schultern fiel und je nach Lichteinfall kastanienbraun oder kupferrot schimmerte. Margitta rührte sich, als ihr eine freche Fliege über die Stirn krabbelte.
    „Margitta“, flüsterte Johanna, die vor Aufregung und Ungeduld schon lange nicht mehr hatte schlafen können. Die letzten beiden Nächte hatte sie im Zimmer der Freundin verbracht. Für sie war ein Metallbett aufgestellt worden. Sie fühlte sich wie die Prinzessin auf der Erbse. Baronin von Plessen hatte in ihrer Sorge um den angenehmen Schlaf des Mädchens Berge von Matratzen und Unterbetten herbeischaffen lassen.
    Die Freundinnen hatten die Nächte vergnüglich schwatzend verbracht und waren beide Male erst weit nach Mitternacht eingeschlafen. Deshalb war Margittas Schlafbedürfnis verständlich. Johanna indessen spürte keine Müdigkeit. Sie setzte sich auf ihrem weichen Matratzenlager auf und wartete auf eine Regung der Freundin. Margitta erwachte jedoch nicht. Johanna warf sich zurück in die Kissen und starrte ärgerlich hinauf zur reich verzierten Decke.
    Doberan, dachte sie, was wird mich dort erwarten?
    Ihr kam der Vortag in den Sinn, an dem beide Mädchen in der Bibliothek einen riesigen Atlas gefunden hatten, der einmal Margittas Vater gehört hatte. Gemeinsam hatten sie die Reise mit dem Finger auf der Landkarte angetreten.
    Zuerst war Johanna enttäuscht gewesen, weil sich herausstellte, der Kurort liege gar nicht so weit von Ludwigslust entfernt, wie sie angenommen hatte. Dann hatte sie die blaue Farbe am Rand der bunten Karte, in der Nähe ihres Reisezieles, bemerkt. Nachdem die Mädchen Elvira und den im Landkartenlesen bewanderten Hauslehrer konsultiert hatten, erwies es sich, dass die blaue Farbe nur die Ostsee sein könne. Die sei zwar nicht so groß wie der Ozean, war ihnen erklärt worden, aber nichtsdestotrotz ein Meer.
    Johanna hatte nur verschwommene Vorstellungen von der See. Wir fahren an ein kleines Meer, frohlockte sie. Die Geschichte des Robinson Crusoes fiel ihr ein. Johann und Franz hatten sich immer gestritten, wer von beiden in dem Buch wann und wie lange lesen dürfe. Der Streit war derart eskaliert, dass der entnervte Vater den Söhnen das Buch weggenommen und es einfach Johanna zum Lesen überlassen hatte. Er hatte den Brüdern gedroht, erst wieder eine Seite zu Gesicht zu bekommen, wenn ihre Schwester damit fertig sei.
    Johanna wäre ohne den väterlichen Anstoß niemals auf die Idee gekommen, einen solchen Lesestoff für sich zu entdecken. Sie hatte es genossen – mit Ansage an die Brüder – sich in die Bibliothek zurückzuziehen und zu schmökern. Anfangs hatte ihr der offensichtliche Neid der Brüder das größte Vergnügen bereitet, aber nach einer Weile war sie von den

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