Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
und Margitta das gemeinsame Frühstück mit Baronin von Plessen und Elvira einnehmen. Beide begrüßten die Hausherrin mit einem Kuss auf die Wange und nahmen am Tisch Platz. So, wie sie beide nebeneinander dasaßen und ihre Gesichter vor Aufregung glühten, gaben sie ein entzückendes Bild ab.
Die Witwe überraschte sich bei nicht sehr schmeichelhaften Überlegungen zur eigenen Erscheinung. Doch dann warf sie den Kopf selbstbewusst in die Höhe und strahlte die Mädchen und Elvira an.
„Greift ordentlich zu, meine Lieben“, nötigte sie. „Ihr wollt euch doch gestärkt auf die anstrengende Reise begeben.“
„Mama! Was ich dich schon lange fragen wollte, warum fahren wir dieses Jahr eigentlich nach Doberan und nicht wie üblich nach Pyrmont oder Karlsbad.“
„Ach, mein Kind“, seufzte die Hausherrin, „ich habe die ständige Brunnentrinkerei satt, die meine Leiden doch nicht gelindert, im Gegenteil, mich nur aufgeschwemmt hat. Es kam mir so vor, als ob alles, was ich zu mir nahm, meinen Körper geradewegs verlassen wollte.“
Die Mädchen kicherten. Baronin von Plessen bemerkte das anrüchige Thema und errötete. „Nun ja, eine Kur in einem Seebad ist etwas völlig anderes als die bekannten Trinkkuren in den althergebrachten Heilbädern. In Doberan gibt es zwar auch eine Quelle, aber deren Heilwirkung ist eher unbedeutend. Im Hinblick auf das klägliche Versagen der viel gerühmten Wässerchen von Pyrmont und Karlsbad, jedenfalls für mein persönliches Wohlbefinden“, schränkte sie ein, „ist das auch nicht weiter schlimm. Nein, in Doberan erwartet uns etwas gänzlich Neues!“
Um die Bedeutung ihrer Ausführungen hervorzuheben, schaute sie ihre Tischgenossinnen eine nach der anderen eindringlich an.
„Habt ihr schon einmal im ursprünglichen Element der rauen See gebadet?“, fragte sie vielsagend.
Die Mädchen rissen die Augen auf.
„Dort badet man mit dem ganzen Körper im Meer?“
„Ja, meine Lieben. Ich habe in meinem Damenjournal eine Veröffentlichung des Großherzoglichen Leibarztes Dr. Vogel gelesen, die Einflüsse des mineralhaltigen Meerwassers seien für den Körper derart Gewinn bringend, dass ich mir eine endgültige Heilung meiner fortdauernden Leiden verspreche.“ Baronin von Plessen schaute würdevoll in die Runde.
„Ich wusste gar nicht, dass du so krank bist?“ Margittas Einwurf brachte ihr einen tadelnden Blick der Mutter ein. Schuldbewusst senkte sie die Lider und beschäftigte sich mit der Milchsuppe. Beim Löffeln des sämigen Breis, den sie verabscheute, kreisten ihre Gedanken weiterhin um die Neuigkeiten, die sie gehört hatte. Dann riss sie erschrocken den Kopf hoch.
„Mama! Was trägt man eigentlich, wenn man im Meer badet!“
Baronin von Plessen schmunzelte und war sich aller Aufmerksamkeit bewusst.
„Du trägst das Kostüm, in dem dich Gott erschaffen hat, mein Kind!“
Margitta fiel der Löffel aus der Hand, Elvira verschluckte sich und begann zu husten, Johanna saß mit offenem Mund da und büßte mit ihrer ungläubigen Miene etwas von ihrem Liebreiz ein.
Margitta war die Erste, die die Sprache wiederfand. „Du meinst, wir baden völlig nackt und das vor aller Augen?“
Jetzt war Baronin von Plessen an der Reihe, die aufgeregten Damen zu beruhigen.
Sie schüttelte den ebenso kunstvoll frisierten Kopf und hob lächelnd die Hände. „Ihr müsst euch keine Sorgen über die Wahrung eurer Schicklichkeit machen, meine Lieben. Kein unredliches Auge wird uns erblicken.“ Sie zwinkerte den Mädchen zu und beugte sich über den Tisch. Mit gesenkter Stimme fuhr sie fort: „Lasst euch nur überraschen! Mehr werde ich jedoch noch nicht verraten.“
Johanna schaute zweifelnd zur Freundin hinüber. Margitta hingegen wusste, ihrer Mutter seien keine weiteren Einzelheiten zu entlocken. Deshalb gab sie es auf, das Geheimnis am Frühstückstisch lüften zu wollen. Sie überlegte sich, auf der langweiligen Fahrt gäbe es genügend Gelegenheit, das Thema erneut anzuschneiden.
Ihr Vertrauen zur Mutter war keineswegs erschüttert. Margitta war felsenfest davon überzeugt, eine Plessen würde es niemals zulassen, den guten Ruf der Tochter durch öffentliches Nacktbaden zu beschädigen. Deshalb zuckte sie nur mit den Achseln und machte Johanna ein Zeichen, still zu sein. Baronin von Plessen platzte in die peinliche Stille hinein. „Was ist denn Mädels? Habe ich euch erschreckt?“
Johanna nickte tapfer.
„Das wollte ich nicht“, beteuerte die Hausherrin und
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