Weisse Haut - Schwarze Haut
Arm gegen den Tod von Karega?
Es war einer der seltenen Abende, wo Eve bei ihnen saß.
Meistens war er allein oder Theresa saß stumm neben ihm. Sie plapperte
wenigstens nicht, stellte nie Fragen. Man verstand sich ohne Worte.
„Sicher hast du da Recht, aber eben nur zum Teil. Es
wurden Fehler auf allen Seiten gemacht, so wie das immer im Krieg ist und ist
Krieg, wenn auf andere Art. Insgesamt wurden in den ersten Tagen des
Ausnahmezustands über zehntausend Personen verhaftet. Armeen von
Kikuyu-Freiheitskämpfern gingen daraufhin in die Wälder des Mount Kenya und den
Aberdares, um einen Guerillakrieg gegen die europäischen Siedler zu führen.
Dabei erhalten sie Unterstützung aus den Städten und von der Landbevölkerung.
Farmen und Polizeistationen wurden angegriffen und Siedler ebenso wie
Kollaborateure getötet, wie du weißt. Die Briten reagierten mit Angriffen auf
Rebellenverstecke und Umsiedlungsaktionen, die den Rückhalt der Bewegung
zerstören sollten. Außerdem werden Tausende Verdächtige in Internierungslagern festgehalten.
Es wird noch weitergehen. Denkst du, dass die Schwarzen das alles so schnell
vergessen?“, erkundigte er sich ironisch.
„Irgendwann muss Ruhe sein.“
„Eve, aber noch nicht im Moment. Es werden immer noch
viele eingeschworen. Es gab den Githathi, den Ehrlichkeitseid, der eine
tödliche Wirkung haben soll, und glaubt mir, das stimmt wirklich. Fragt mich
nicht, warum, aber es hat, funktioniert. Wahrscheinlich bedingt durch die
eigene Angst. Bei der Schwurzeremonie kam es nicht selten vor, dass ein noch
nicht eingeschworener Kikuyu Herz und Hirn seines eigenen Sohnes essen musste,
was dem mtoto bei lebendigem Leib entfernt wurde, wohlgemerkt im Beisein seines
Dads. Er hatte die Wahl, entweder seine ganze Familie oder schwören und nur
einen Jungen verlieren. Für solche Zeremonien wurden auch gern die mtoto der Mabwana
genommen, eine besondere Spezialität. Gut war es, wenn es die Kinder des Mabwana
waren, auf dessen Farm der noch nicht eingeschworene Mann arbeitete. Das war
dann ein außerordentlich treuer Kikuyu, der zu seinem Boss ein sehr großes
Vertrauensverhältnis besaß, der die watoto des Mabwana mit großgezogen hatte.“
Er dachte an seinen Freund Karega, an die kleine kibibi kitamu. „Gerade, die
wollte, und will man ja indoktrinieren.“
In der Ferne hörten sie das Kichern der Hyänen und Eve
erschauerte. Das Geräusch passt, zu dem was William erzählte, ging es ihr durch
den Kopf. Auch William hörte die fisi und seine Gedanken weilten bei seinem
Freund. Er hatte wenigstens nicht gespürt, als die sich über ihn hermachten.
„William, deine Frau ist eine einfältige Träumerin, hat
von nichts eine Ahnung. Vielleicht liegt es daran, dass sie noch nicht lange
hier wohnt, so wie ich. Sie passt eben nicht in dieses Land, zu uns, auf die
Farm.“
„Ndiyo, das kann sein“, antwortet er, ohne dass er genau
zugehört hatte.
„Das Beste wäre, sie und ihre Tochter würden zu dem Dad
des Mädchens gehen, egal welcher Mann es ist. Sie sagt mir ja nicht, wer dieses
Kind gezeugt hat. Wahrscheinlich wird es Robin sein. Sie hat nur jemand
gesucht, der sie und das Kind aufnimmt.“
„Halt deinen Mund“, brummte er.
Eve erhob sich rasch und hastete hinein, das nahm er nicht
wahr. Er grübelte, was ihm Karega noch gesagt hat? Sicher! Er setzte sich
kerzengrade auf: Ngumo, Suijo, Zuri, Theresa! Suijo und Zuri hatten sie
verraten. Am liebsten wäre er zum Dorf hinübergerannt, nur gegenwärtig
schliefen alle. Hass keimte in ihm hoch, die Wut. Suijo und Zuri!
„William, soll ich dir ein beer holen?“
„Nein, lass mich bitte allein. Wann holt dich Marvin ab?
Du hast hier nichts mehr zu suchen, kapierst du das nicht? Wir sind kein Hotel,
also verschwinde. Wir wollen unsere Ruhe haben und nicht irgendwelche faulen
Weiber durchfüttern.“
„Du bist gemein, aber das redet dir wahrscheinlich diese
... Eve ein. Weiß ich noch nicht. Ich habe so viel zutun, weil deine Frau den
Haushalt und alles andere vernachlässigt hat. Der Schmutz war überall
Fingerhoch. Ein Wunder, dass unser James nicht krank wurde. Das arme Kind tut
mir so Leid. Wenn du keine Wünsche hast, gehe ich schlafen. Gute Nacht.“
Er genoss die Nachtruhe, konnte so in der Vergangenheit
weilen. Er sah Karega vor sich, die kleinen Episoden, die gemeinsamen Ausflüge,
den ersten Händedruck und er weinte. Der Verlust schmerzte. Die Schuldgefühle
lasteten schwer auf ihm. Hätte er damals Ndemi und
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