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Weiße Nächte, weites Land

Weiße Nächte, weites Land

Titel: Weiße Nächte, weites Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Sahler
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dich raus«, fuhr Christina das Mädchen an und machte eine herrische Kopfbewegung in Richtung Tür. »Ab zu den Hühnern, und miste den Stall aus!«
    Alexandra wechselte einen schnellen Blick mit Matthias, doch der nickte kaum merklich zum Zeichen, dass sie der Mutter gehorchen solle. Als Alexandra sich an Christina vorbeidrängte, schoss sie ihr von unten einen glühenden Blick zu, den Christina nicht weniger feurig erwiderte. So weit kam es noch, dass das kleine Scheusal sich über sie amüsierte!
    »Schließ die Tür!«, presste Matthias hervor und drehte sich so, dass er Christina nicht ansehen musste. »Lass mir ein paar Stunden, bis ich wieder bei Kräften bin.«
    Christina beachtete seine Worte nicht. »Ich war beim Pastor. Wenn wir uns scheiden lassen wollen, lässt er uns vorher vor dem versammelten Dorf auspeitschen.«
    »Ich bin einverstanden«, sagte Matthias.
    »Ich aber nicht!«, schrie Christina zurück.
    »Dann hat es sich ja erledigt.«
    Als sie die Tür zur Schlafkammer zudonnerte, bebte die ganze Hütte. Wahrscheinlich war der Knall noch in der Nachbarschaft zu hören.
    Sie stapfte in die Küche und schrak zusammen, weil das Kerzenlicht in der Küche einen Schatten an die Wand malte. Was zum Henker … Da erkannte sie ihre Schwester Eleonora, die mitten im Raum stand, mit beschämtem Gesichtsausdruck. »Verzeih, Christina, ich wollte nicht so hereinplatzen, aber …«
    Christina winkte ab. »Ach, wen schert’s. Hast wohl alles mitbekommen, hm? Weiß doch eh jeder, wie es um Matthias und mich bestellt ist.«
    Eleonora ließ sich auf einem der Küchenstühle am Tisch nieder. »Da hast du wohl recht«, murmelte sie. »Ich möchte Matthias fragen, ob er an das Papier und die Kohlestifte für Sophia gedacht hat. Sie wartet darauf – alles Papier ist bereits von beiden Seiten bemalt.« Sie lächelte sanft.
    Christina fuhr mit dem Aufräumen der Küche fort und wies mit dem Kinn in Richtung Schlafkammer. »Frag ihn selbst, wenn er noch nicht schnarcht.«
    »Die Reise hat ihn wohl ziemlich angestrengt.«
    »Was weiß ich«, erwiderte Christina, krempelte sich die Ärmel hoch und begann, mit der Bürste die angebackenen Reste aus dem Hirsetopf zu kratzen. »Vielleicht hat ihn irgendein hergelaufenes Weibsbild all seine Manneskräfte gekostet. Er ist ja nichts Gutes gewohnt.« Sie stieß ein Lachen aus, bei dem Eleonora die Schamesröte in die Wangen stieg.
    »Zügle dein loses Mundwerk, Christina!«, fuhr Eleonora die Schwester ungewohnt scharf an. »Denk, was du willst, aber beleidige meine Ohren nicht mit deinen Anzüglichkeiten.«
    Christina fuhr zu ihr herum, die Wurzelbürste polterte auf den Holzboden. Eine nicht weniger schneidende Erwiderung lag ihr auf der Zunge, aber als sie der ungewohnt frostige saphirblaue Blick ihrer Schwester traf, die da mit ihren schimmernden schwarzen Haaren, dem blassen, schönen Gesicht und hängenden Armen vor ihr stand, kam ihr in den Sinn, mit wie viel Zuversicht sie Eleonora vor vielen Jahren überzeugt hatte, dass hier und nur hier ihre einzige Chance auf Glück liege, und dass ihre Schwester sich ihr Leben hier gewiss auch anders erträumt hatte. Sie seufzte und bemühte sich um einen versöhnlichen Ton: »Lass uns nicht zanken, Eleonora. Es tut mir leid. Du kannst nichts dafür, dass ich mir ausgerechnet Matthias zum Mann genommen habe. Geh nur zu ihm! Vielleicht wird er ja munter, wenn er dich sieht. Ich … ich bin ein bisschen außer mir«, fügte sie noch hinzu, fuhr sich mit der Hand an die Schläfe. »Ich sorge mich um Daniel. Er ist doch in Moskau.« Es auszusprechen vervielfachte den Schmerz noch.
    Eleonora nickte und legte ihr, als sie an ihr vorbeiging, für einen Moment die Hand auf die Schulter. Dann hörte Christina, wie sie an die Tür der Kammer pochte.

    Erst als der Morgen des übernächsten Tages graute, gestand sich Eleonora ein, dass sie am Ende ihrer Kräfte war und sich ins Bett legen musste, wenn sie nicht vor Schwäche zusammenbrechen wollte.
    Der Schrecken, als sie Matthias vor zwei Tagen in seinem Bett bibbernd und schwitzend antraf, war ihr bis ins Mark gedrungen. Sie hatte sofort erkannt, dass es sich nicht um Erschöpfung handelte, sondern dass er schwer krank war.
    In Windeseile hatte sie feuchte Tücher und viel frisches Wasser organisiert. Sie hatte nach dem Arzt und nach Anja geschickt, die aber nur die Mundwinkel herabzogen, die Schultern zuckten und im Übrigen zu reichlich Kamillentee und heißen und kalten Wickeln

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