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Weiße Nächte, weites Land

Weiße Nächte, weites Land

Titel: Weiße Nächte, weites Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Sahler
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gerade den Männern anderer Frauen hinterherschielt. Ich überlege, ob es nicht meine Pflicht als Vorsteher ist, sie mir mal vorzuknöpfen.«
    »Das führt doch nur zu neuer Missgunst und weiterem Zank«, erwiderte Anja. »Du kannst sie nicht ändern. Sie ist hier nicht glücklich.«
    »Glücklich!«, Bernhard spie das Wort förmlich aus. »Was hat sie denn erwartet? Dass ihr hier die gebratenen Tauben in den Mund fliegen? Ist das ihre Vorstellung von Glück? Dann hätte sie nie diesen Weg auf sich nehmen dürfen. Hier bedeutet Glück: zu kämpfen für das, was einem lieb und teuer ist. Tag für Tag.«
    Anja lächelte leicht, reckte sich wieder und drückte die Lippen auf seine Wange. »Mein lieber guter Bernhard. Ereifere dich nicht! Christinas Denken wirst du nicht ändern können.«
    Bernhard presste die Lippen aufeinander. »Wahrscheinlich nicht, da hast du recht. Aber ich werde ihr beibringen können, sich der Gemeinschaft zu fügen. Bevor sie noch mehr Unheil anrichtet. Schau dir doch ihre Tochter an, Alexandra. Hast du jemals ein unglücklicheres Kind gesehen?«
    Anja musste Bernhard beistimmen – was Christina mit ihrer Lieblosigkeit dem Mädchen antat, sah jeder, der keinen Stein statt eines Herzens in der Brust hatte.
    Doch jedes Eingreifen ihrerseits bliebe fruchtlos.
    Zur Liebe konnte man niemanden zwingen.

    Ganz gegen seine Gewohnheit legte sich Matthias gleich, nachdem er seine Hütte betreten und mit großer Anstrengung ein paar Löffel Hirsebrei zu sich genommen hatte, zu Bett. Die Hand hielt er auf den Magen gedrückt.
    »Schmeckt der Brei nicht, Vater?«, fragte Alexandra.
    Matthias presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Alexandra schob ihre Schale von sich.
    Christina blieb unschlüssig in der Küche stehen, während sich Alexandra neben das Bett setzte und Matthias anstarrte.
    Ein bisschen benommen fühlte sich Christina noch von der kurzen Ohnmacht, und der Arm, auf den sie gefallen war, pochte und lief blau an. Aber schlimmer als alle körperlichen Schmerzen war die Vorstellung, dass Daniel sich in Moskau mit der Pest angesteckt haben könnte. Vielleicht siechte er in einem der Hospitäler dahin, oder der Schwarze Tod hatte ihn bereits ereilt. Die Vorstellung, ihn niemals mehr wiederzusehen, seine Leiche in einem Erdloch mit Hunderten anderen von der Pest verunstalteten Leibern vergraben zu wissen, verursachte ihr stechende Schmerzen hinter der Stirn.
    »Bist du müde, Vater? Wir können doch spielen, oder?«
    Matthias streckte die Hand aus und streichelte Alexandras dünne Haare. »Jetzt nicht, Kind. Ich brauche ein bisschen Ruhe. Morgen, ja?«
    Alexandra verzog den Mund. Gewiss hatte sie sich die Ankunft des Vaters spaßiger vorgestellt.
    »Die Sonne ist noch nicht mal untergegangen«, rief Christina von der Küche her, wo sie mit den Töpfen klapperte. Nicht, dass ihr die Gesellschaft ihres Mannes zur Freude gereicht hätte, aber ihn faul im Bett herumliegen zu haben, missfiel ihr nicht weniger.
    »Gib Ruhe, Christina!«, erwiderte Matthias. »Auf dein Keifen lege ich heute überhaupt keinen Wert.«
    »Und ich auf dein Maulen nicht«, gab sie zurück. »Hast du übrigens Lust, dir zehn Peitschenhiebe zu holen?«
    Matthias’ Glucksen mochte ein unterdrücktes Lachen sein, sie konnte es nicht klar benennen. »Ist das dein letzter Versuch, meine Lust zu entfachen? Nein, versuch dein Glück bei einem der zahnlosen Russen aus dem Nachbardorf! Da sollten noch welche dabei sein, die noch nicht näher bekannt mit dir sind.«
    Christina knallte eine Suppenkelle in die leere Blechschüssel, dass es schepperte. »Was bildest du dir ein, du elendiger Ackerknecht!«, schimpfte sie. »Aber du hast recht – lieber einem zahnlosen alten Russen die Gunst erweisen als einem stinkenden Bauern wie dir!«
    Wieder drang ein Glucksen aus der Schlafkammer, deren Tür weit geöffnet war, und weil gleichzeitig ein kindliches Kichern erklang, wusste Christina, dass Matthias sich tatsächlich amüsierte und Alexandra sich von seiner Stimmung anstecken ließ. Wenn es ihm so gutging, dass er lachen konnte, sollte er gefälligst aufstehen!
    Mit drei Schritten war sie an der Tür zur Schlafkammer, stemmte die Hände in die Hüften und starrte auf ihren Mann hinab. Doch die Anspannung wich aus ihren Schultern. Nein, sein Gesicht wirkte noch grünlicher als draußen, seine Stirn glänzte feucht, seine Hände zitterten. Um die gute Miene bemühte er sich wohl nur, um Alexandra zu erheitern.
    »Scher

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