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Weiße Nächte, weites Land

Weiße Nächte, weites Land

Titel: Weiße Nächte, weites Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Sahler
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besprechen, aber wie es schien, hatte sie Pech.
    Sie schlich durch die Stube zur angrenzenden Schlafkammer und drückte vorsichtig die Tür auf. Das Holz knarrte und schleifte über die Dielen.
    Helmine lag bäuchlings quer über dem zerwühlten Bett. Sie trug nur ihr Mieder und ihren Unterrock, die nackten Füße mit den schwarzen Sohlen hingen über das Bettende, seitlich baumelte ein nackter Arm herab, die Fingerspitzen berührten fast den Fußboden. Ihr Kopf lag seitlich auf einer Wange, das Gesicht war verknautscht, der Mund offen und verzerrt.
    Ein unglaublicher Gestank nach schmutzigem Schweiß und etwas so Scharfem, dass es Klara in den Augen brannte, schlug ihr entgegen.
    War Helmine krank? Hatte ihr die Apothekerin Medikamente gegeben? Sie hielt sich die Hand vor Mund und Nase, bevor sie näher trat und das Fenster weit öffnete, um die Nachmittagsluft in die Kammer zu lassen.
    Vor dem Bett der Base ging sie in die Knie, fasste Helmine an der Schulter und schüttelte sie sanft. »He, Faulpelz, aufstehen! Es ist helllichter Tag«, rief sie freundlich. Sie schüttelte Helmine ein bisschen fester, bis diese sich rührte und die Augen aufschlug.
    Wie ertappt richtete sie sich sofort auf, schwang die Beine auf den Boden und fasste sich in der gleichen Bewegung mit der Hand an die Schläfen. »Wie kommst du herein, Klara?« Ihre Stimme klang tief und rauh wie die eines Mannes. »Was willst du?«
    Klara ließ sich dicht neben ihr auf dem Bett nieder, in Gedanken immer noch damit beschäftigt, wie Hermine wohl reagieren würde, wenn sie ihr von Sebastian erzählte. Bestimmt wusste Helmine einen guten Rat für sie, wie sie den Jungen im Sturm erobern konnte.
    »Geht es dir besser? Bist du krank?«
    Helmine wedelte mit dem Arm, wobei sie mit dem Gleichgewicht kämpfte. Ihr Kopf baumelte auf den Schultern hin und her, als wäre er nur lose befestigt.
    Klara schluckte vor Aufregung. »Ich wollte dir von Sebastian erzählen. Ich …«
    Helmine stieß einen tierischen Laut aus, der tief aus ihrer Brust zu kommen schien, während ihr Kinn auf ihren Busen sackte. Klara sprang auf. Irgendwas stimmte nicht. Konnte es sein, dass Helmine nicht krank oder müde, sondern schlicht sturzbetrunken war?
    Mit glasigem Blick sah Helmine zu ihr auf. »Was willst du mir von der Krüppelhand erzählen?«, zischte sie. »Was kratzt mich deine Tändelei mit ihm? Du törichtes Ding, du! Weißt du, was mein Gregor gerade treibt? Er bespringt den erstbesten geilen Weiberarsch, der ihm vor die Nase kommt, wie ein brünstiger Eber. Und da soll ich mir anhören, wie dein kleines Herzchen pocht, wenn dich der Krüppel angrinst?« Helmines Stimme war immer lauter geworden. Die Worte waren kaum zu verstehen, so sehr lallte sie. Spucketropfen flogen in Klaras Richtung, und ein weißschäumendes Rinnsal lief über Helmines Kinn, während sich ihr Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzog.
    Klara war zurückgewichen, bis sie an der Tür stand. Sie presste die Hände auf die Ohren, kniff die Augen zusammen, aber es nützte nicht. Wie Gift sickerte jedes einzelne Wort in ihr Hirn und drohte es zu verätzen.
    Helmine war mit ihrer Tirade noch nicht fertig, doch als sie aufstand, um Klara zu folgen, verlor sie das Gleichgewicht und schlug hart auf dem Boden auf, wo sie sich in der nächsten Sekunde heftig übergab.
    Klara nahm die Hände langsam herunter, öffnete die Augen. Widerwillen und Ekel verengten ihre Kehle. Da lag ihre Freundin in ihrem Erbrochenen, starrte zu ihr hoch und öffnete den Mund, um mit ihrer Schimpftirade fortzufahren. Klara kam ihr zuvor. »Schweig still, Helmine«, schrie sie sie an. Ihre Stimme überschlug sich, während ihr das Blut durch die Adern rauschte. »Wie hast du über deine Mutter gejammert. Verleugnet hast du sie, verachtet und gequält. Und nun? Was ist aus dir geworden? Schau dich an in deinem Dreck! So besoffen bist du, dass du weder klar denken noch klar reden kannst! Du bist schlimmer, als Tante Marliese es jemals war. Sie war zwar schwach, aber sie hatte ein gutes Herz – deines ist kalt wie Eis. Verrecke in deinem Dreck, Helmine, und komm mir niemals wieder nah! Sprich nie mehr mit mir oder Sebastian, nie mehr im Leben, hörst du?« Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und stürzte zur Hüttentür.
    Tränen nässten ihre Wangen. Aus der Kammer hörte sie, wie Helmine ihren Namen rief, schrill und panisch. Dann ein heftiges Schluchzen, das in ein Würgen überging.
    Klara schlug die Tür hinter sich zu

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