Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
aus Bambusholz zwei Bänke dort unten am Ufer gebaut, und hier machen wir nach unserem Bad oft am Abend ein Picknick aus ein paar Orangen oder Bananen oder was wir sonst gerade haben.
Die Menschen dort leben hauptsächlich von der Fischerei, was mitunter schwierig ist. Denn wenn es in der Trockenheit zu heiß ist, ziehen sich die Fische in die Mitte des Sees zurück und tauchen tief nach unten weg. Dann bleiben die Netze der Fischer leer.
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6. Bosomtwisee – im Vordergrund die nur aus einem Holzbrett bestehenden Fischerboote
Daneben haben die meisten auch kleinere Felder oder Farmen und betreiben Subsistenzwirtschaft. Außer Orangen bauen sie Kochbananen an, Cassava, Yam und andere Wurzeln, außerdem Kakao. Aber auch dies ist nicht einfach in diesen Regionen: Der Boden ist steinig, und in der Trockenzeit kann nichts richtig wachsen. Kurz gesagt, die Menschen sind arm, ihre Mahlzeiten bescheiden, ihr Leben sehr hart und beschwerlich. Sie leisten im Vergleich zu uns Europäern unvorstellbar schwere Arbeit. Bei 40 Grad im Schatten die Farm zu bestellen, und zwar mit reiner Muskelkraft – das würden wir gar nicht schaffen.
Meist essen sie, was ihr Grundstück hergibt und was die Väter in ihren Netzen nach Hause bringen. Leider reicht das oft nicht aus.
Immer wenn ich nach Apewu fahre, wird vorher eingekauft. Meistens machen wir in Kumasi halt, wo wir auf dem eindrucksvollen Markt all das besorgen, was wir in Apewu zum Essen benötigen, und das bringen wir den Leuten dann mit. Kumasi ist ein riesiger Händlertreffpunkt, und wer das unübersehbare und bis zum Horizont reichende Meer aus Marktständen, Schirmen und Händlertischen nicht mit eigenen Augen gesehen hat, der kann sich die Ausmaße dieses Marktes nicht vorstellen.
Man begegnet auf dem Markt Menschen aus dem Niger, aus Mali, aus Burkina Faso und aus der Elfenbeinküste. Einmal eingetaucht in diese fremde Welt und das Gewirr aus Straßen und Gassen, wird man vom Strom der Massen unweigerlich mitgerissen. Hier gibt es alles, was man braucht, und viele Dinge, von denen man noch gar nicht wusste, dass es sie gibt.
Es ist heiß und staubig, und die Gerüche und Geräusche der Händler, die hier aus ganz Westafrika zusammenkommen, bilden eine einzige unverwechselbare Kulisse. Kumasi, das Herz des Aschanti-Landes, ist so sehr Westafrika, dass manche behaupten, diese Stadt sei die heimliche Hauptstadt Ghanas.
Ich mag das Klima und das Wetter in Afrika, denn in Deutschland ist es mir immer zu kalt. Ich mag die Art zu leben, die Art zu essen, ich mag
fufu
– eine Art Brei aus gestampften Kochbananen und Yam –, mir schmeckt
banku
– klebrige, ein wenig säuerlich schmeckende Klöße aus Mais – und die leckeren Gemüseragouts, wie sie alle afrikanischen Frauen und ganz besonders köstlich Mimie zubereiten.
In Ghana mag ich einfach alles. Es gibt nichts Schöneres für mich, als in der Mittagshitze irgendwo im Schatten zu sitzen – was selten genug vorkommt, weil ich eigentlich immer auf Achse bin –, der Schweiß läuft mir ganz langsam den Rücken hinunter, ich schließe die Augen und lausche dem papierähnlichen Geräusch, wenn der Wind in den Palmen raschelt.
Ich mag auch das typische Leben in einem afrikanischen Buschdorf. Wenn ich morgens mit meiner Klopapierrolle unter dem Arm zur Toilette gehe und mich bereits ein halbes Dutzend Leute freudig begrüßt, wenn ich auf meinem Weg zurück hier und dort hängenbleibe, mich noch im Schlafanzug zu einem Schwatz vor ein Haus setze, egal, ob die Zähne schon geputzt sind und die Haare frisiert – dann bin ich einfach glücklich. Ich weiß, das können die wenigsten meiner Landsleute nachempfinden, aber in mir ist nach und nach die Überzeugung gewachsen, dass ich eigentlich in der Tiefe meines Herzens Afrikanerin bin.
»Du bist ghanaischer als wir Ghanaer«, sagte mein Freund und Kollege Stanley einmal zu mir, und er meinte es ernst.
Während meines zweiten Aufenthaltes in Apewu versorgte ich nicht nur die Kranken, die zu uns in die Buschklinik kamen, sondern besuchte, immer in Begleitung von Emmanuel und das medizinische Köfferchen in der Hand, auch die anderen am Ufer des Sees gelegenen Dörfer. Und hier machte ich eines Tages eine schreckliche Entdeckung.
Man hatte mich zu einer älteren Frau gerufen, die an Lepra erkrankt war. Also waren Emmanuel und ich in das Dorf Detiaso westlich von Apewu gewandert, um ihre Wunden zu versorgen. Diese Frau war meine erste
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