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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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ihn, ein Auto zu besorgen.
    »Ein Auto!?«, fragten er und Emmanuel überrascht.
    Denn dies grenzte damals fast an ein Ding der Unmöglichkeit.
    Um ein Auto zu besorgen, musste der Chief bis nach Kumasi fahren. Das bedeutete: zu Fuß den steilen Weg hinauf zum Kraterrand. Dort mit einem Trotro – einem Buschtaxi in Gestalt eines Minibusses, der erst abfährt, wenn er bis zum Anschlag vollgestopft ist mit Passagieren – nach Bekwai. Von dort mit einem anderen Trotro in die nächstgrößere Ortschaft und von dort in einem weiteren Buschtaxi schließlich nach Kumasi. Dort angekommen, würde es für Chief Odikro alles andere als einfach sein, einen Fahrer davon zu überzeugen, aus der Provinzhauptstadt so weit hinaus in den Busch zu fahren. Damals führten nur Erdpisten bis an den Rand des Kraters. Den abschüssigen Pfad von Morontuo nach Apewu hinunterzufahren war unmöglich und ist es heute auch nur mit einem geländegängigen Fahrzeug. Also musste sich das Auto von der anderen Seite des Sees nähern, wo eine Straße bis ans Seeufer führte, und von dort über einen Trampelpfad halb um den See. Um einen Wagen zu besorgen, das wussten wir alle, dazu brauchte man, wenn alles gut lief, mehrere Tage. Vorausgesetzt, man fand einen Fahrer, der verrückt genug war, Kumasi zu verlassen.
    Kein Wunder also, dass Chief Odikro mehr als erstaunt war, als ich ihm meine Bitte vortrug.
    »Wofür denn ein Auto?«, erkundigte sich der ehrwürdige Mann.
    »Für Stephen Owusu«, sagte ich, »für den Mann mit dem schlimmen Bein aus Detiaso. Der muss dringend ins Krankenhaus. Oder wollen wir alle mit ansehen, wie er hier lebendig verfault?«
    Der Chief sah mich mit einem solchen Staunen in den Augen an, dass ich für einen Augenblick dachte, er würde mir nicht helfen. Doch dann sagte er: »Ist gut. Ich werde gehen und sehen, was ich tun kann.«
    Während er aufbrach, ging ich gemeinsam mit Emmanuel zurück nach Detiaso, wo Stephen noch immer auf der Mauer saß. Ich verabreichte ihm das Antibiotikum und das Schmerzmittel und erklärte ihm, dass wir ihn in ein Krankenhaus bringen würden. Noch immer sah er mich an wie eine Erscheinung, und wahrscheinlich glaubte er mir kein Wort. Ich fragte ihn, ob er denn ins Krankenhaus gebracht werden wolle. Er sah erst mich an, dann Emmanuel. Er nickte ganz leicht und blickte mich mit solch einer Intensität an, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.
    Wir warteten und warteten. Umringt von einer Traube Menschen saßen wir vor Stephens Hütte, und ich betete, dass es dem Chief gelingen möge, ein Auto zu besorgen. Und das Wunder geschah. Knapp 24 Stunden später hörten wir Motorengeräusche, und tatsächlich kam der Chief mit einem Taxi den Trampelpfad ins Dorf hineingefahren.
    Nun mussten wir Stephen irgendwie von seiner am Hang gelegenen Behausung hinunter zum See transportieren, und für diesen Zweck hatte ich eine Schubkarre organisiert. Es war Stephen unmöglich zu laufen, und vor Schmerzen konnte er sich ohnehin kaum rühren. Inzwischen stand das halbe Dorf um uns versammelt, in sicherem Abstand, damit Stephens böser Zauber sie ja nicht befallen konnte.
    »Ihr müsst mir helfen«, bat ich sie.
    Schweigen. Die ansonsten so hilfsbereiten und freundlichen Menschen rührten keinen Finger. Nur Emmanuel trat auf mich zu und bot seine Hilfe an. Stephen war mit seinen eins fünfundachtzig ein Riesenkerl, wie sollten wir den in die Schubkarre kriegen, geschweige denn den steilen Berg hinunterbugsieren?
    Schließlich wurde es mir zu bunt. Ich war so wütend, dass ich beschloss, es in Gottes Namen mit Emmanuel allein zu versuchen. Ich fasste unter Stephens abgefaulte Beine, Emmanuel nahm den Oberkörper. Und irgendwie schafften wir es, ihn in die Schubkarre zu legen. Als die Leute das sahen, da wurde ihnen offenbar erst bewusst, wie ernst es mir war. Und sie kamen zu dem Schluss, dass sie unmöglich zusehen konnten, wie eine junge weiße Frau einen der ihren durch die Gegend schleppte. Endlich fassten sie mit an. Hände zogen mich sanft weg und packten die Schubkarre von allen Seiten.
    Als wir Stephen endlich beim Auto hatten, umwickelte ich sein Bein mit Polsterwatte, die man sonst unter Gipsen verwendet, damit er nicht verrückt wurde vor Schmerzen. Dennoch roch das Bein so entsetzlich, dass sich der Fahrer zunächst weigerte, ihn zu transportieren. Schließlich einigten wir uns darauf, dass er hinten im Kombi gelagert würde, er war ohnehin viel zu groß und konnte sein Bein nicht

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