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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Landgrafe
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vernarbten Augenhöhlen, war dagegen etwas völlig anderes. Es bedurfte keiner großen Worte, das Offensichtliche sprach für sich. Meine Gäste sahen Menschen, die nun schon seit Jahren in Verschlägen lebten, die wir in Deutschland unseren Hunden nicht zumuten würden. Sie sahen neu Angekommene, eben erst aus der Poliklinik als geheilt entlassene Patienten, die sich mit den Unterkünften zufriedengeben mussten, die andere verlassen hatten, um in eine etwas bessere Hütte umzuziehen. Wir besuchten die Glücklichen, die bereits in einem der soliden Häuser wohnen konnten, die Stanley im Auftrag der »Cured Lepers Foundation« gebaut hatte. Doch noch viel zu viele standen auf Wartelisten, und es war klar, dass sie noch viele Jahre lang ausharren mussten, bis sie selbst in eines der begehrten Häuser einziehen konnten. Wir sahen viele Menschen, die an Sekundärinfektionen litten und an all den Krankheiten, die man sich mit einem schlechten Immunsystem in Afrika eben nur zu schnell einfangen kann: Malaria, verschiedene Arten von Fieber und nicht zuletzt Entzündungen und Vereiterungen der schlecht abgeheilten Leprawunden.
    »Was diese Menschen am dringendsten brauchen«, sagte Joycelyn, die ich ebenfalls dazugebeten hatte, »ist eine vernünftige medizinische Versorgung.«
    Wir schwiegen. Unsere Gäste, das konnte man ihnen deutlich ansehen, waren tief betroffen. Schließlich fasste sich der Stellvertretende Stiftungsvorsitzende.
    »Na ja«, sagte er zu seiner Frau, »was meinst du? Im Klinikbauen haben wir ja jetzt Erfahrung. Vielleicht können wir für nächstes Jahr hier eine weitere in Angriff nehmen?«
    Ich atmete auf. Joycelyn strahlte. Mit Emmanuel be-rieten wir an den folgenden Abenden, wie die Krankenstation für die Leprapatienten aussehen könnte.
    »Werden die Folgekosten nicht immens sein?«, fragte unser Sponsor, der wusste, wovon er sprach. »Wer bezahlt die Behandlung, wer die Ärzte? Nichts ist teurer als laufende Personalkosten.«
    Nun war dies die Gelegenheit, meinen Sponsoren etwas zu erklären, was ich persönlich wunderbar finde am Ghanaischen Staat. Denn ich werte es als ein wichtiges Zeichen der Regierung in Accra, dass es ihr ernst ist mit demokratischen Strukturen, als sie 2007 etwas einführte, was selbst in den USA damals noch nicht selbstverständlich war: eine staatliche Krankenversicherung. Das Gute ist, sie funktioniert tatsächlich. Seither investiert Madamfo Ghana mit großem Erfolg in die Versicherung von so vielen Bevölkerungsgruppen wie möglich.
    »Für fünfzehn Euro im Jahr versichere ich hier unsere als geheilt geltenden Leprapatienten«, erklärte ich, »und der Staat bezahlt die Behandlungskosten.«
    Für einen Angestellten wie Emmanuel oder Victor kostet die Versicherung 50 Euro im Jahr. Ich finde das großartig. Auf diese Weise arbeiten wir mit dem Staat zusammen, ganz im Sinne des Modells von Public Private Partnership. Madamfo Ghana versichert die Menschen und stellt die Gesundheitseinrichtungen, der Staat sorgt für die Personalkosten und bezahlt die Behandlung. Auf diese Weise tragen sich die von uns initiierten Projekte, sobald sie laufen, von selbst. Genau so stelle ich mir Entwicklungshilfe vor.
    Dies überzeugte meine Sponsoren. Noch bevor sie ihren Heimflug antraten, nach Rücksprache mit dem Stiftungsvorsitzenden von Bonita in Deutschland, sagte der Stellvertretende Vorsitzende auf seiner Reise zu, dass die Bonita-Stiftung ein Gesundheitszentrum für die Leprapatienten in Ho unterstützen würde.
     
    Als wir an diesem Abend in Accra zu Bett gehen, ist es schon spät. Es ist einfach angenehm, in der Dunkelheit draußen auf der Veranda zu sitzen, dem sanft raschelnden Geräusch des Winds in den Palmen zu lauschen und endlich alle viere von sich zu strecken.
    In der Nacht träume ich von den Kindern am See. Ich träume von Joshua, der seine erste Nacht im Kinderheim verbringt und nicht einschlafen mag, weil er noch nicht wirklich glauben kann, was mit ihm geschah. Er hat im Heim andere Kinder getroffen, die er von früher kennt, die einst wie er für die Fischer arbeiten mussten und die ihn unter ihre Fittiche genommen haben. Und dann träume ich von den anderen Kindern, die noch bei Dunkelheit aus dem Schlaf gerissen werden und mit hinaus müssen, auch wenn sie erst vier Jahre alt sind, fünf oder sechs. Und mitten in diesem Traum weckt mich die zarte Hand von Eyram, Mimies Tochter, und sie sagt: »Es ist Morgen, Auntie, warum bist du noch nicht auf?«
    »Mimie«,

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