Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
murre ich, »wieso passt du auf deinen Teufelsbraten nicht besser auf?«, aber schon ist Eyram zu mir ins Bett gekrochen, und wir spielen, dass ich mich schlafend stelle und sie mich wach kitzeln darf. Bis ich den Spieß herumdrehe und ich sie durchkitzle, bis sie kreischend aus meinem Bett und dem Zimmer flieht.
»Mach die Tür wieder zu«, rufe ich ihr nach, doch die Kleine ist schon längst auf und davon. Und jetzt ist es so weit, ich bin wach und kann auch gleich aufstehen.
Während ich mir einen Kaffee mache, betrachte ich Mimie, die ihrer Tochter neue Antennenzöpfe dreht, wie ich es nenne. Mit bunten Gummibändern bindet sie Eyram Haarsträhne um Haarsträhne ab, bis ihr Kopf aussieht wie das eines Marsmännchens mit lauter Antennen. Und an denen zupfe ich sie und sie quietscht, zupft mich an meinen vielen Zöpfchen, die ich mir in Afrika immer gleich zu Anfang flechten lasse. Denn bei der Hitze ist es einfach bequemer so.
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31. Eyram und Bettina
Oft, wenn ich Eyram betrachte, dann muss ich daran denken, dass in der Voltaregion kleine Mädchen in ihrem Alter – sie ist gerade drei geworden – bald als kleine Sklavin anfangen müssen, in einem Haushalt zu arbeiten. Kleine Jungen müssen mit anderen zusammen ein schweres Fischerboot hinaus auf den See rudern. Es ist noch gar nicht lange her, dass ich davon überhaupt erfuhr.
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Kapitel 12
Kinderhandel am Voltasee
E ines Abends lud uns Joycelyn zu sich nach Hause zum Essen ein. Dabei erzählte sie mir eine Geschichte, die mir die Haare zu Berge stehen ließen.
Joycelyn ist ein Mensch, der ständig seine Antennen offen hält für Missstände in ihrer Region. Eines Tages hörte sie von Fischern am Voltasee, die kleine Kinder als Arbeitssklaven hielten. Sie konnte das kaum glauben, fuhr hin und begann zu recherchieren. Sie sprach mit Menschen, die dort wohnen, und stieß auf große Ablehnung. Doch Joycelyn wäre nicht die, die sie ist, hätte sie sich abschrecken lassen. Sie kam wieder, beobachtete, fotografierte. Und schließlich brachte sie eine Videokamera mit.
Sie wusste, dass es nicht ungefährlich war, was sie tat. Vor allem in zwei Dörfern auf einer Insel im Voltasee geriet sie beinahe in eine brenzlige Situation.
»Ich hatte inzwischen einem Chief, mit dem ich befreundet war, von der Sache erzählt. Er beschloss, mit mir diese Inseln zu besuchen. Insgesamt waren wir fünf Frauen und Männer, die mit einem Boot zu diesen sehr abgeschiedenen Inseln hinausfuhren. Wir kamen in das erste Dorf, doch nirgendwo waren Kinder zu sehen. Das war ein Dorf von meinem eigenen Volk, und ich konnte Ewe mit ihnen sprechen. Wir lachten miteinander, machten Scherze: ›Oh, das ist ein Wunderdorf‹, sagten wir, ›hier kommt man als Erwachsener zur Welt.‹ Nach und nach fassten die Dorfeinwohner Vertrauen zu uns, und die Kinder kamen von den Bäumen herunter, wo sie sich versteckt gehalten hatten. Wir versuchten zu erklären, dass wir ihnen nichts Böses tun, sondern ihnen helfen wollten.
Ich sagte: ›Diese Kinder gehören in Schulen statt auf Fischerboote.‹
Da lachten sie und antworteten, ja, auch sie wären gerne zur Schule gegangen, aber es gebe hier nun mal keine Schule. Es gebe auch kein Krankenhaus. Dennoch war das Gespräch offen und freundschaftlich.
Danach besuchten wir ein anderes Dorf, das ein Stück weit entfernt lag. Hier lebten Menschen eines anderen Stammes, die nicht Ewe sprachen. Zum Glück konnte der Chief, der mit uns gekommen war, diese Sprache, und er übersetzte für uns. Auch hier sahen wir nirgendwo Kinder, und als wir nach ihnen fragten, schlug uns offene Feindseligkeit entgegen. Als wir uns zum Gehen wandten, da sagte auf einmal der Chief des Fischerdorfes etwas, was ich nicht verstand. Aber der Chief, der mit mir gekommen war, entgegnete seinem Kollegen: ›Nein. So können wir nicht auseinandergehen. Wir setzen uns jetzt wieder hin und bleiben so lange, bis du das, was du eben gesagt hast, wieder zurücknimmst.‹
Offenbar hatte der ansässige
Chief
etwas Schlimmes ausgesprochen, eine Verwünschung oder Ähnliches, was genau es war, habe ich nie erfahren. Aber hätten wir so die Heimreise angetreten, dann wären wir nicht heil nach Hause gekommen. Denn diese Fischer sind gute Taucher, die hätten das Boot sabotiert, möglicherweise umgeworfen, und wir wären alle ertrunken.«
»Warum?«, fragte ich atemlos vor Aufregung.
»Diese Leute wollen nicht, dass man erfährt, was sie tun. Sie wollen nichts
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