Weiße Nebel der Begierde
stand, um seine Tochter vor demselben Schicksal zu bewahren.
In den drei Jahren seit Georgianas Tod hatte Gabriel alles getan, um seiner Tochter aus dem Wege zu gehen und wenn überhaupt nur wenige
Augenblicke in ihrer Gesellschaft zu verbringen. Er hatte sichergestellt, dass sie versorgt, anständig gekleidet und ernährt wurde und dass sich die Hand voll Diener, die sich als loyal und vertrauenswürdig erwiesen hatten, um ihr Wohlergehen bemühten.
Aber er war ihr so nahe, wie er es sich selbst gestattete. Wenn er mit ihr redete, sie herzte oder auch nur zur Kenntnis nahm, war ihr Leben in Gefahr. Diesen Fehler hatte er schon einmal gemacht und er hatte nicht die Absicht, ihn zu wiederholen.
Gabriel gab sich jede nur erdenkliche Mühe, sich selbst die Liebe zu seiner Tochter zu versagen. Wenn auch nur, um ihr das Leben zu retten.
Kapitel fünf
Eleanor öffnete vorsichtig die Augen, um das Licht des neuen Morgens zu sehen ... und ihr Blick fiel auf Juliana, die neben dem Bett stand -ihr Haar steckte noch immer ordentlich unter der gerüschten Nachthaube - und Eleanor reglos anstarrte. Durch das Fenster hinter ihr sah Eleanor, dass es noch sehr früh sein musste, denn die Dämmerung war noch kaum über den Horizont gekrochen. Im ersten Moment fragte sie sich, was sie geweckt hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, gespürt zu haben, wie Juliana aus dem Bett geschlüpft war oder sie gar angestupst hatte, um sie wach zu machen. Aber irgendetwas hatte sie aus dem Schlaf gerissen.
Sie zermarterte sich das Gehirn, dann fiel ihr wieder ein, ein Geräusch gehört zu haben. Das Aufstampfen eines Fußes gleich neben dem Bett.
»Was ist, Juliana?«, fragte sie und setzte sich auf. Ihr Nacken schmerzte, weil sie die Nacht in einer unbequemen Lage ganz am Rand der Matratze neben Juliana verbracht hatte. »Ist etwas geschehen?«
Juliana reagierte nicht einmal mit einem Nicken oder Kopfschütteln. Stattdessen drehte sie sich um und ging zur Tür. Ihr Gesicht blieb unverändert, als sie die Tür öffnete und sich wartend daneben stellte.
Sie wartete darauf, dass Eleanor das Zimmer verließ.
Eleanor überlegte, ob sie vielleicht ärgerlich war, weil sie beim Aufwachen eine Fremde im Bett ihrer Mutter vorgefunden hatte. Möglicherweise betrachtete sie ihre Anwesenheit als Bedrohung, die das letzte heilige Band zwischen Mutter und Tochter zerstören wollte. Dieser Gedanke war Eleanor in der Nacht, als sie beschlossen hatte, bei Juliana zu bleiben, nicht gekommen. Sie hatte nur daran gedacht, auf das Kind aufzupassen und zu verhindern, dass es in der Dunkelheit weiterhin durchs Schloss wanderte.
Sie hielt es für das Beste, dem Wunsch der Kleinen zu entsprechen, stand auf und durchquerte das Zimmer. Sie trug noch immer das helle Musselinkleid, das jetzt hoffnungslos verknittert war, das sie fürs Abendessen angezogen hatte. Ihr Haar war zerzaust und die Nadeln hatten sich gelöst. Ein Bad und frische Kleider waren vor dem Frühstück sicherlich angebracht.
Eleanor ging ein paar Schritte, merkte aber dann, dass Juliana ihr nicht folgte. Sie drehte sich um und sah, dass das Kind neben dem Bett stand, die zerwühlte Bettdecke glatt zog und die Kissen aufschüttelte. Nach wenigen Augenblicken war nicht mehr zu erkennen, dass irgendjemand hier geschlafen hatte.
Die geschickten Handgriffe verrieten Eleanor, dass Juliana das schon viele Male gemacht hatte. Wie lange schlich sich die Kleine schon nachts in das Zimmer ihrer Mutter? Seit Lady Dunevins
Tod? Wusste niemand sonst im Schloss von ihren nächtlichen Besuchen?
Als das Bett gemacht war, drehte sich Juliana um, nahm ihre Puppe von dem Stuhl neben dem Bett, verließ leise das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Als sie gemeinsam durch die dunklen Korridore gingen, gab Eleanor Mairi im Stillen Recht - Juliana war hellwach, und da war etwas hinter ihrem Schweigen.
Der Regen, der am vorangegangenen Nachmittag begonnen hatte, hielt sich noch am Morgen und wurde gegen Mittag zu einem feinen Nieseln. Auf der Insel war es um ein gutes Stück kälter als auf dem Festland, und ein schneidender Wind fegte ständig in Richtung Westen, so dass sich sogar die dicken Bäume an der Küste bogen.
Um den Bediensteten die Mühe zu sparen, Eimer mit heißem Wasser in ihre Turmkammer zu schleppen, nahm Eleanor ein schnelles Bad in einer der Räume neben der Küche. Mairi machte Wasser auf dem Herdfeuer heiß und schüttete es in die hölzerne Wanne. Ein Schock durchfuhr Eleanor, als sie
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