Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
Vom Netzwerk:
neun, und wieder einmal ging Eleanor, nachdem sie Juliana zu Bett gebracht hatte, in die Küche, um eine Tasse Tee mit Mairi zu trinken. Und auch heute fand sie Julianas Bett leer vor. Sie ging in das Schlafgemach der Viscountess und begab sich neben dem zusammengerollten Kind zur Ruhe.
    Früh am nächsten Morgen frühstückten sie gemeinsam an dem kleinen Tisch neben dem Küchenherd, während Mairi geschäftig herumhantierte und Vorbereitungen für den bevorstehenden Michaelistag traf.
    Mit dem Namenstag des heiligen Michael, des Schutzpatrons des Meeres, endete der Monat September und die Erntezeit. Dann wurde die Pacht bezahlt und für die reichlichen Erträge gedankt.
    Mairis zwei Töchter, Alys und Sorcha, waren am Morgen vom Festland herübergekommen, um ihrer Mutter bei der Arbeit zu helfen. Während sie nachschauten, ob es genügend Vorräte für den traditionellen Struan Micheil-Kuchen gab, der der Höhepunkt des Festes sein würde, setzte sich Mairi zu Eleanor und Juliana und erzählte ihnen von dem Feiertag.
    »Alle auf der Insel nehmen an dem Fest teil«, erklärte sie. »Es fängt am Sonntag vor Michaelis an - diesen Tag nennen wir Domhnach, Curran, an dem alle Frauen und Mädchen der Insel die Karotten von den Feldern klauben. Das ist schon seit langer, langer Zeit der Brauch auf den Inseln. Sie und die Kleine müssen unbedingt mitmachen.«
    Eleanor nahm die Einladung mit Freuden an.
    Das schöne Wetter hatte sich gehalten, und nach dem Frühstück sorgte Eleanor dafür, dass Juliana mit einem Wollkleid und dicken Strümpfen warm angezogen war, damit ihr die Kälte draußen nichts anhaben konnte. Eleanor band sich die langen Senkel ihrer neuen Schuhe zu, dann machten sich die beiden auf den Weg zu den felsigen Bergen hinter dem Schloss, um die Insel mit Julianas neuem Fernglas zu erforschen.
    Als sie den ersten Hügel erklommen hatten, drehte sich Eleanor um und glaubte, eine Gestalt an einem der Schlossfenster zu sehen. Auf die Entfernung konnte sie nicht erkennen, dass es Lord Dunevin war, der ihnen mit großer Besorgnis von seinem Arbeitszimmer aus nachsah und dabei an einen anderen Spaziergang vor drei Jahren dachte, von dem nur eine Person zurückgekommen war.
    Die Sonne verbarg ihre Morgenwärme hinter ein paar fedrigen Herbstwolken, der Wind blies frisch und kühl über die Förde und blähte ihre Umhänge auf. Eleanor trug das wärmste Kleid, das sie besaß, ein aschgraues Samtkleid mit langen Ärmeln und engem vorn durchgeknöpftem Mieder. Die neuen Wollstrümpfe waren angenehm bei dieser Kälte, aber Eleanor hatte ein zweites Paar für sie und Juliana mitgenommen, für den Fall, dass sie sie brauchten.
    Nach einer halben Stunde löste sich der kunstvolle Knoten, zu dem Eleanor ihr Haar geschlungen hatte, und eine Strähne nach der anderen fiel ihr über die Schultern. Irgendwann war Eleanor es leid und sie zog alle Nadeln aus dem Haar.
    Sie blieben hin und wieder stehen, um einen Fleck am Horizont durch das Fernglas genauer zu beobachten; sie sahen zahllose Fischerboote, ab und zu einen Sturmtaucher, der tief über die Wasseroberfläche segelte und nach Beute Ausschau hielt, und den runden grauen Kopf einer Robbe, die ihren Weg neugierig zu verfolgen schien.
    Juliana beobachtete ständig das Tier, während Eleanor fröhlich über die Insellandschaft plauderte und auf die üppigen Wildblumen hinwies, die sogar noch zu dieser späten Jahreszeit grün waren. Sie sammelten Waldmeister und andere Kräuter für Mairi, damit sie sie in die Wäscheschränke legen konnte, und steckten sie in die kleinen Weidenkörbchen, die die Köchin ihnen mitgegeben hatte.
    Während sie über Hügel und durch Täler wanderten, begegneten sie einigen Pächtern. Die gesamte Insel stand unter dem Protektorat von Lord Dunevin, und das Land, das nicht vom Schloss direkt bewirtschaftet wurde, war in Pachtgrundstücke aufgeteilt, die die Bauern bearbeiteten, um ihre Familien zu ernähren und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
    Meistens konnten die Pächter dem Land nicht genug abringen, um sich über Wasser zu halten, deshalb besserten sie ihr Einkommen mit einem zweiten Handwerk auf: als Fischer, Seiler, Weber, oder indem sie andere Dienste anboten wie zum Beispiel Donald MacNeill, der die Post und andere Waren zwischen dem Festland und Trelay hin-und hertransportierte.
    Die Pachthöfe, an denen sie vorbeikamen, standen allein, nicht dicht beieinander wie in den
    Dörfern in England, und sie bestanden gewöhnlich

Weitere Kostenlose Bücher