Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
Vom Netzwerk:
noch viel zu riskant, sich auf den verdammten Schneefeldern herumzutreiben. Sie wollen keine weiteren Menschenleben gefährden.« Er zuckte mit den Schultern. »Keine Leiche. Wir müssen eine Pressekonferenz einberufen. Also müssen wir uns vorher auf ein paar Dinge verständigen. Okay … ein Opfer, weiblich, zwischen dreißig und vierzig …«
    »Oder männlich«, warf Lasco ein.
    »Was soll das heißen?«, fragte Bob.
    »Die Leiche steckte doch bis zur Brust im Schnee, oder?«
    »Du meinst, du hast keine Titten gesehen, deshalb könnte es auch eine männliche Leiche gewesen sein? Also wirklich, Lasco – du machst dich langsam lächerlich mit deiner Phobie, dich nicht festzulegen.«
    Lasco warf ihm einen finsteren Blick zu. »Du kapierst nicht,Bob. An wie vielen Tatorten bin ich schon gewesen, wo ihr Spuren verwischt habt, ehe ich aufgetaucht bin? Ihr marschiert irgendwo rein und stellt wilde Vermutungen an, was passiert sein könnte. Aber ihr müsst euch an das halten, was ihr seht, und nicht an das, was ihr euch zusammenreimt. Ich könnte auch Vermutungen anstellen, was mit der Leiche passiert ist, aber das heißt noch lange nicht, dass meine Annahmen richtig sind.«
    Bob starrte durch ihn hindurch. »Weiblich , zwischen dreißig und vierzig, kastanienbraune Jacke mit weißen Streifen auf den Ärmeln, marineblaue Wollmütze …«
    »Flies«, sagte Lasco.
    »Flies«, wiederholte Bob und machte sich Notizen. »Was ist mit der Augenfarbe?«
    »Schwer zu sagen«, meinte Lasco. »Ich würde mich da nicht gerne festlegen.«
    »Haare?«
    »Die steckten unter der Mütze.«
    »Erinnerst du dich an sonst noch was?«
    »Nein.«
    Bob warf Mike einen geduldigen Blick zu.
    »Ihr offenbar auch nicht«, sagte Lasco.
    »Ja, weil du uns immer so hautnah an die Leichen heranlässt.« Bob holte tief Luft. »Okay, fassen wir zusammen, was wir haben …«
    »Warte mal«, sagte Lasco. »Mir fällt da noch was ein. Eine Haarsträhne von der Toten steckte in meiner Nase. Sie war blond.«
    Bob atmete tief ein.
    »Und da war diese Schusswunde«, fügte Lasco hinzu. »Eine große Austrittswunde im Rücken …«
    »Was?«, rief Bob. »Eine Schusswunde? Bist du sicher, dass es keine Verletzung war, die sie sich bei einem Sturz geholt haben könnte?«
    »Nein, es war eine Schusswunde.«
    »Sicher?«, hakte Bob nach. »Das Loch war nicht zufällig durchein Essstäbchen oder einen Besenstil entstanden? Wir sollten uns auch in diesem Punkt noch nicht festlegen.«
    »Ha, ha, ha«, machte Lasco.
    »Ja, haha.« Bob saß auf dem Bettrand und klappte sein Notizheft zu. »Ich freue mich nicht auf den Medienrummel. Kein bisschen.«
    Es klopfte an der Tür. Bob stand auf und öffnete sie einen Spalt. »Oh, welche Ehre«, sagte er und drehte sich zu Lasco um. »Ein Krankenbesuch vom FBI.«
    Zwischen dem Sheriffbüro des Summit County und dem FBI herrschte ein ausgezeichnetes Verhältnis, denn die Zusammenarbeit hatte für beide Seiten Vorteile: Der Sheriff besaß die Ortskenntnisse und die Kontakte zur Bevölkerung, und das FBI verfügte über die Fachleute, das Geld und das technische Gerät. In den USA gab es vierhundert FBI -Büros, die in der Regel mit einem bis drei Agenten besetzt waren. Das nächste FBI-Büro befand sich hundert Meilen westlich von Breckenridge in Glenwood Springs in Garfield County.
    »Wir hatten einen Einsatz in Frisco«, sagte Tiny Gressett, einer der FBI-Männer. »Wir haben von der Sache oben am Berg gehört und dachten uns, wir kommen mal vorbei, um zu sehen, wie es Mr. Lasco geht. Außerdem wollten wir fragen, ob wir irgendetwas für euch tun können.«
    Für einen FBI-Mann war Gressett beinahe ein Zwerg. Hätte er sich die Haare schneiden lassen, hätte er nicht mehr die vom FBI verlangte Mindestkörpergröße erreicht. Er war in den Fünfzigern, besaß die zerfurchte, dünne Haut eines Rauchers und das vom Wind gerötete Gesicht eines Mannes, der in den Bergen zu Hause war. Sein schwarzes Haar war gewellt, und seine Koteletten hatten schon lange keinen Rasierapparat mehr gesehen.
    »Haben Sie den Schnee heute schon genossen?«, fragte er Lasco.
    »Ja, es war eine ganz tolle Schussfahrt«, erwiderte der Leichenbeschauer spöttisch.
    Todd Austerval ging einen Schritt auf den Patienten zu.Austerval war Anfang dreißig, groß, blond, mit gerader Nase und spitzen Wangenknochen. Er hätte besser ausgesehen, wäre sein Mund nicht so verkniffen und seine blauen Augen nicht so blass gewesen, dass sie niemals echte Wärme

Weitere Kostenlose Bücher