Weiße Stille
Fantasien auszuleben.
Und dann war Malcolm Wardwell eines Tages zum Quandary Peak hinaufgestiegen und wurde mit der Wahrheit konfrontiert. Und was Jean Transom ihm dort erzählte, war das Letzte, was er hören wollte. Denn Malcolm Wardwell erfuhr, dass die Aufopferung für seinen Sohn völlig sinnlos gewesen war. Stattdessen hatte er einen verhaltensgestörten, gewalttätigen Kinderschänder auf die Menschheit losgelassen. Wardwell musste erfahren, dass Jason schon als Siebzehnjähriger ausgelebt hatte, was er aus seinen Pornoheften und Videos kannte.
»Ihnen war der Gedanke verhasst, dass Ihr Sohn Jean Transom so etwas Schreckliches angetan hatte«, sagte Ren. »Aber noch mehr hassten Sie Jean, weil sie irrtümlich glaubte, Sie wären es gewesen. Und Sie hassten Jason, weil er Sie in diese Situation gebracht hatte. Wo war Jason in jener Nacht? Wo war der einzige Mensch, der Sie aus dieser Zwangslage hätte befreien können? Wo war Ihr Sohn, als Sie ihn brauchten?«
Malcolm murmelte etwas, was Ren nicht verstand.
»Bitte?«, fragte sie.
»Er war da«, flüsterte Malcolm. »Hinter ihr … Er stand einfach nur da und sagte kein Wort. Und sie wollte mir nicht glauben … Sie wollte nicht glauben, dass ich es nicht gewesen bin. Doch Jason sagte nichts. Er hat mir nicht geholfen …«
»Ja, eine vertrackte Situation«, sagte Ren. »Sie haben diese Schande keine Sekunde länger ertragen. Ihr Leben lang hatten Sie Jason gedeckt. Der aber hätte Sie sterben lassen, um sich selbst zu schützen. Es war zu viel.«
»Ja«, sagte Malcolm mit tonloser Stimme. Er war erschöpft, nachdem er jahrzehntelang gelogen und betrogen hatte. »Es war zu viel. Jean Transom wollte mir nicht zuhören, als ich es ihr sagte. Ich war verwirrt. In der dunkelsten und kältesten Nacht des Winters, als ich zum Schneefeld am Quandary Peak hinaufgestiegen war, um Menschen zu helfen, stand sie plötzlich da. Ich wollte nur, dass sie verschwindet.«
Die Eingangstür der Hütte wurde so heftig aufgerissen, dass der Türrahmen bebte. Die Waffe im Anschlag, stürzte Paul Louderback in die Hütte und bezog neben Ren Position. Beide richteten ihre Waffen auf Jason Wardwell.
»Malcolm Wardwell hat Jean getötet«, sagte Ren. »Aber es war Jason, der die Mädchen entführt hatte.«
»Was für eine nette Familie«, sagte Paul und ging auf Jason Wardwell zu. Auf seinem Gesicht lag ein beängstigender Ausdruck.
Irgendetwas stimmt nicht mit ihm , schoss es Ren durch den Kopf.
»Dieser Hurensohn hat also zwei elfjährige Mädchen entführt und vergewaltigt«, sagte Paul.
»Eine«, widersprach Jason.
»Zwei«, sagte Ren. »Jennifer Mayer und Ruth Sleight.«
»Ich wollte aber nur die kleine Blonde«, sagte Jason, als würde er über einen Besuch in einem Nachtclub sprechen. »Die andere, diese Ruth, habe ich nicht angerührt. Ich hab sie in die Anprobe gesperrt. Ich hatte sie nur mitgenommen, weil ich zu spät gesehen hatte, dass sie die kleine Blonde begleitet hat. Nur deshalb musste ich sie ebenfalls mitnehmen. Sie war ein hässliches, dürres Ding mit Sommersprossen und schiefen Zähnen – nicht mein Typ.«
Eine Sekunde lang herrschte atemlose Stille, während Jason überheblich grinste. Dann stürzte Paul Louderback sichunvermittelt auf ihn, schlug ihm die Faust ins Gesicht und schleuderte ihn zu Boden. Jason schrie vor Schmerz, als Paul seinen Nacken umklammerte und ihm mit der freien Hand die Nase einschlug, ihm den Kiefer brach und ihm ein Ohrläppchen abriss.
»Du verdammter Hurensohn«, brüllte Paul, während er auf Jason einprügelte. Ren schaute verwirrt zu, wie ihr Boss seiner Wut freien Lauf ließ und dabei eine Brutalität an den Tag legte, die sie niemals bei ihm vermutet hätte.
Wie erstarrt beobachtete sie, wie Paul alles das tat, was sie nach seinen eigenen Worten in ihrem Job als FBI-Agentin niemals, um gar keinen Preis tun durfte.
Paul Louderback war schweißüberströmt, als er keuchend von Jason Wardwell abließ. Mühsam kniete er sich hin und drückte die Mündung seiner Waffe auf Wardwells Schläfe. Ren schnappte nach Luft.
»Paul«, sagte sie beschwörend. »Gib mir deine Waffe, Paul. Bitte, gib sie mir.«
Paul schaute sie mit schmerzerfülltem Blick an. Er riss ein Tuch von der Rückenlehne des Stuhls, wischte sich das Gesicht ab und warf es auf Jason Wardwell, der blutend und stöhnend auf dem Boden lag.
Ren senkte die Stimme. »Paul, bitte …«
Er reichte ihr die Waffe.
»Ich habe sie doch gehen lassen!«, wimmerte
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