Weiße Stille
Ereignisse untersucht.«
Casey hielt dem Sheriff noch immer das Mikrofon vor den Mund und schien fieberhaft zu überlegen, wie sie ihm etwas Konkretes entlocken konnte. Es vergingen ein paar Sekunden, ehe sie nickte. »Vielen Dank, Sheriff Gage.«
Sie wandte sich wieder der Kamera zu. »Wir melden uns zu jeder vollen Stunde mit aktuellen Meldungen über die Ereignisse hier am Fuße des Quandary Peak. Wer weiß, wohin diese Spur führt. Ich bin Casey Bonaventure …«
Als sie nicht mehr auf Sendung war, drehte sie sich zu Bob um. »Bob …«
»Casey, mein Schatz, ich kann dir auch nicht helfen, wenn deine Produzenten meinen, sie müssten voreilig über diese Sache berichten. Sie schicken dich viel zu früh los. Wenn niemand etwas Genaues über den Tatort, die Identität des Opfers und die Geschehnisse weiß, kann ja kein vernünftiger Bericht dabei herauskommen. Immer wenn du auftauchst, sagen wir dir, dass wir noch nichts für dich haben. Und jedes Mal richtest du die verdammte Kamera auf mich und erwartest von mir eine gute Story. Ich soll deinen Job machen, aber ich habe meinen eigenen Job.«
»Du weißt, dass ich dir Fragen stellen muss«, verteidigte Casey sich. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information.«
»Du wirst fürs Reden bezahlt«, sagte Bob. »Ich nicht. Und wenn ich schon reden muss, wäre es mir lieber, wenn ich etwas Vernünftiges zu sagen hätte.« Er stapfte davon und rief über die Schulter: »Wie wär’s mit einer Lawine aus Verdächtigen? Einer märchenhaften Winterlandschaft voller Verrückter? Einer Bande zu Eis erstarrter Idioten?«
15.
Ren saß im Büro das Sheriffs an ihrem Schreibtisch. Er war größer, billiger und abgenutzter als ihr Schreibtisch bei der Rocky Mountain Safe Streets in Denver. Ren dachte darüber nach, dass sie sich selbst außer Gefecht gesetzt hatte – und das nicht zum ersten Mal. Jeder kann die Höhenkrankheit bekommen. Aber sie hatte durch ihre zahlreichen Drinks erheblich dazu beigetragen. Vor ihr stand eine Flasche Mineralwasser; weitere drei Flaschen standen auf dem Boden neben ihr.
Robbie Truax, Colin Grabien und Cliff James kamen herein.
»Ah, seht sie euch an«, sagte Robbie.
Ren lächelte gequält.
»Das Weichei«, sagte Colin.
»Geht es dir besser?«, fragte Robbie.
Ren nickte. »Ja. Ich habe in den letzten vier Stunden mehr Wasser getrunken als in den letzten vier Wochen davor …«
»Der böse, böse Alkohol«, sagte Colin.
Ja. »Eigentlich wollte ich gestern Abend gar nichts trinken«, sagte Ren. »Wie ihr wisst, war ich gerade erst hier angekommen.« Sie drehte sich zu Cliff um. »Und? Was habe ich verpasst?«
»Leider nicht viel«, sagte Cliff. »Der Leichenspürhund hat sich in den Schnee gesetzt und gebellt – sein Signal, dass er eine Witterung aufgenommen hat. Doch die Hundeführerin hat gesagt, diese Witterung könnte auch von Sonny Bryant stammen. Dieser Geruch des Todes entsteht, sobald jemand stirbt, und ist bei allen Menschen gleich. Deshalb kann der Hund es nicht unterscheiden.«
»Tatsächlich?«, fragte Robbie.
»Ja, sieht so aus«, sagte Cliff.
»Das ist deprimierend«, meinte Ren.
»Wieso? Willst du unbedingt anders riechen, wenn du tot bist?«, fragte Colin.
»Halt die Klappe, Colin«, sagte Ren.
»Jedenfalls, der Hund hat signalisiert, dass er eine Witterung aufgenommen hat, aber er hat nichts gefunden«, sagte Cliff.
»Und gibt es Pläne, noch einmal auf den Berg zu steigen?«, wollte Ren wissen.
»Keine Ahnung«, sagte Robbie. »Es war heute schon zu gefährlich da oben. Der Such-und Rettungsdienst hat jedenfalls ausdrücklich Nein zu einem weiteren Aufstieg gesagt.«
Ren trank noch einen Schluck Wasser. »Mist.«
»Möchtest du dir die Fotos ansehen?«, fragte Robbie.
»Klar, ich liebe deine Fotos. Du bist ein Ass mit der Kamera«, sagte Ren. »Du solltest deine Bilder ausstellen.« Wenn es ein interessanter Tatort war, machte Robbie Landschaftsaufnahmen von der Umgebung.
Ren nahm die Digitalkamera entgegen.
»Ich hoffe, es sind keine intimen Fotos von dir dabei«, sagte sie.
»Nur die, die wir gestern Nacht auf Colins Schreibtisch gemacht haben.«
Ren schaute sich die Bilder an. Die erste Fotoserie bestand aus den Außenaufnahmen eines Bankgebäudes, das die Safe Streets überwacht hatte. Ren blätterte sie rasch durch, bis die Fotos kamen, die am heutigen Morgen am Wanderparkplatz und an der Fundstelle gemacht worden waren. Sie nahm ihr USB-Kabel aus der Tasche und lud die Bilder in
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