Weiße Stille
steckte den Kopf zur Tür herein. »Ren, Sie haben Besuch. Patrick Transom sitzt im Besprechungszimmer. Er möchte gerne mit Ihnen sprechen.«
Verdammter Mist.
Ren spähte zu Gary hinüber, als hoffte sie, er würde ihr das Gespräch mit Patrick abnehmen. Er tat so, als hätte er gar nichts mitbekommen.
»Also gut«, sagte Ren. »Danke, Bob. Sagen Sie ihm bitte, ich komme gleich.«
Patrick Transom war auf seinem Stuhl nach vorn gerutscht, und seine gefalteten Hände lagen auf dem Tisch.
»Guten Tag, Mr. Transom.« Ren reichte ihm die Hand.
»Tag, Miss Bryce.«
»Sagen Sie bitte Ren zu mir.«
»Gern. Ich heiße Patrick. Bitte glauben Sie mir, ich bin normalerweise nicht der Typ, der unangemeldet ins Büro des Sheriffs platzt. Es tut mir sehr leid, aber ich habe einfach das Gefühl, ausgeschlossen zu werden. Ich weiß, dass Sie Ihren Job machen müssen und keine Zeit haben, sich mit Angehörigen herumzuschlagen. Aber … ich habe Nachrichten hinterlassen, und ich hatte Sie so eingeschätzt, dass Sie darauf reagieren. Jedenfalls hatte ich von Ihnen diesen Eindruck gewonnnen, als wir uns kennen gelernt haben.«
Dieser Eindruck ist richtig. Normalerweise hätte ich es getan.
»Leider hatten wir sehr viel zu tun.«
Ich auch. Vergangene Nacht war ich damit beschäftigt, mit einem V-Mann zu vögeln. »Es sind eine ganze Reihe von Agenten mit dem Fall befasst, außerdem die Detectives vom Büro des Sheriffs … und wir müssen sämtlichen Anrufen, Zeugenaussagen und Spuren nachgehen, selbst wenn kaum die Chance besteht, Erfolg zu haben. Immer wieder bekommen wir neue Hinweise oder stoßen auf neue Spuren, die überprüft werden müssen. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, Sie anrufen und Ihnen sagen zu können: ›Mr. Transom, wir haben eine heiße Fährte.‹ Aber wie es aussieht, haben wir noch nicht genug, um Ihnen Hoffnungen machen zu können.«
Hinzu kommt, dass ich in der vergangenen Nacht unbedingt mit einem V-Mann ins Bett gehen musste.
Patrick sah niedergeschlagen aus. »Auch diese Information hätte mir geholfen. Ich wäre in der Lage gewesen, meine Erwartungen zurückzuschrauben. Was meinen Sie – muss ich die Hoffnung aufgeben, dass Sie Jeans Leiche jemals finden?«
Ja. »Es ist nicht an mir, jemandem zu sagen, welche Hoffnungen er aufgeben soll und welche nicht. Das ist Ihre Entscheidung. Doch wir sollten zuversichtlich bleiben. Die Ermittlungen gehen voran. Wir müssen jetzt abwarten.«
Ich kann nicht glauben, dass ich mich so ausdrücke.
»Es ist schwer für mich, einfach abzuwarten«, sagte Patrick. »Ich wollte das alles nicht. Ich hätte niemals gedacht, dass ich eines Tages derjenige sein würde, der im Büro des Sheriffs auftaucht und nach dem Ermittlungsstand im Mordfall seiner Schwester fragt.«
»Es tut mir leid, dass Sie überhaupt hierherkommen mussten. Das hätte nicht sein müssen. Ich … ich glaube, ich habe Ihre Nachrichten nicht erhalten.«
Halt die Klappe, Ren.
Jetzt spiegelte sich Zorn auf Patricks Gesicht. »Wieso nicht?«
»Zurzeit arbeiten wir in Büros, die uns vorübergehend zur Verfügung gestellt wurden, und da ist es manchmal schwierig, die einzelnen Agenten aufzuspüren. Wir müssen viel improvisieren, und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen«, sagte Ren.
Patrick stand auf. »Dann lasse ich Sie jetzt wieder allein. Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. Und ich vertraue Ihnen. Ich weiß, Sie werden den Täter finden.«
Mein Gott. Das habe ich heute verdient.
»Ich hoffe es«, sagte Ren. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.«
Als Patrick das Besprechungszimmer verlassen hatte, eilte Ren zur Toilette und erbrach sich.
Ich bin eine Versagerin. Ich bin ein Miststück.
Sie wusch sich über dem Waschbecken das Gesicht. Als sie es mit einem Papiertuch abtrocknete, klingelte ihr Handy.
Hallo. Wie geht’s? Billy.
Rens Herz klopfte heftig. Sie löschte die Nachricht, putzte sich die Zähne, schminkte sich und versuchte die ganze Zeit, ihrem eigenen Blick im Spiegel auszuweichen.
Auf dem Gang draußen lief Mike ihr über den Weg.
»Hallo, Ren.«
»Oh … hallo, Mike.«
»Ich habe mir die Ruth-Akte für Sie angesehen«, sagte er. »Tut mir leid, aber ich bin nicht dahintergekommen, wer ›Ruth‹ sein soll. In Jeans Büro und in ihrem Computer gab es keine entsprechende Akte oder Datei. Deshalb kam ich nicht weiter. Ich habe mit den Eltern der anderen Kinder gesprochen, die in der Akte stehen, auch mit einigen Kindern selbst, von
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