Weiße Stille
geht nicht voran.«
»Das stimmt doch gar nicht. Wir haben alle Spuren überprüft, die wir überprüfen konnten. Und wir haben bereits eine Menge ausgeschlossen.«
»Damit käme ich prima zurecht, wenn ich wenigstens ein paar heiße Spuren hätte, die ich verfolgen könnte«, sagte Ren. »Verdammt, was mag mit Jean passiert sein?«
»Diese Frage werden Sie schon noch beantworten, Ren. Wenn Sie jetzt zu zweifeln anfangen, schlägt sich das negativ in Ihrer Arbeit nieder. Beginnen Sie jeden Tag so, als wäre es der erste Tag der Ermittlungen.«
»Ein guter Rat. Danke.«
»Dann bringen Sie mich mal auf den neusten Stand.«
»Es kommt mir so vor, als wäre ich die Einzige, die im Zuge der Ermittlungen auf Personen stößt, die einem spanisch vorkommen. Da ist zum Beispiel dieser Typ, der im Brockton Filly verkehrt – gruselig. Und Caroline Quaintance. Sie lügt, obwohl die Leute im Tierheim in den höchsten Tönen von ihr sprechen. Auch ihr Boss.«
Misty erwähnte sie vorerst nicht.
»Sie haben normalerweise eine sehr gute Intuition, Ren«, sagte Gary.
Das hoffe ich. »Ich weiß, es hört sich blöd an, aber ich würde mir wünschen, Jean Transom hätte ein aufregenderes Leben geführt, sodass wir mehr Anhaltspunkte hätten. Sie lebte in einer kleinen Welt, und ich finde einfach keinen Weg hinein.«
»Immer mit der Ruhe, Ren«, erwiderte Gary freundlich. »Sie zweifeln heute an allem. Hören Sie auf damit, und gehen Sie nüchtern an die Sache heran, okay?«
»Sie haben recht.«
»Dann machen Sie es so.«
»Ja. Danke, Gary.«
Ren ging in die Küche, um Kaffee zu kochen und ein paar Kekse zu essen, die ihr nicht schmeckten. Sie war allein. Sie setzte sich an den Tisch und schloss die Augen.
Ich muss den Teil von Billy Waites, der mich antörnt, von dem Teil Billys trennen, den ich im Zuge der Ermittlungen unter die Lupe nehmen muss. Ich bin ihm viel zu nahe. Unser Verhältnis ist zu intim.
Ren nahm den Kaffee, kehrte an ihren Schreibtisch zurück und schlug die Akte über Mark Wilson noch einmal auf. Wilson hatte in dem Monat, bevor er verschwand, in der Herberge übernachtet,
Ren stutzte.
Woher kannte sie den Namen »Cheapshot Inn«?
Plötzlich fiel es ihr ein: die Touristeninformation.
Die Information hatte noch nicht geöffnet, doch der Chef ließ Ren herein. Sie ging sofort zu der Darstellung, die sie gesucht hatte: die Fotomontage, die den Wandel der Ridge Street in den letzten Jahrzehnten zeigte. Auf einem der Fotos hing ein Schild am Ast einer gestutzten Eiche, doch die meisten Buchstaben wurden von den Blättern des Baumes verdeckt. Cheapshot Inn , stand dort. Und in kleinerer Schrift: Erbaut 1962 . Doch es war jetzt kein Gasthof mehr. Ren wusste, was sie antreffen würde, wenn sie durch die Tür ging: den schmalen, dunklen Korridor, der zu Dr. Charlie Barger führte.
Der Chef der Touristeninformation kam zu ihr. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja, das können Sie tatsächlich«, sagte Ren und zeigte auf das Foto. »Vielleicht könnten Sie mir etwas über das Cheapshot Inn erzählen.«
»Den Gasthof von Charlie Barger? Der ist jetzt geschlossen. Er hat ihn im letzten Dezember zugemacht.«
Wer schließt einen Gasthof in Breckenridge mitten in der Hochsaison?, fragte Ren sich.
»Und seit 1962 war das ein Gasthof?«
Der Mann nickte. »Sein Vater hat ihn eröffnet, Emil Barger. Er gehörte zu einer kleinen Gruppe von Leuten, denen nach einiger Zeit ein großer Teil von Breckenridge gehörte. Aber anstatt die Stadt wie eine Dampfwalze zu überrollen, ritt Barger sozusagen auf einem Schimmel in den Ort.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, er muss in den Sechzigern gewesen sein, als die Stadt eine schwere Krise durchmachte. Die Wirtschaft brauchte Männer wie Barger, und das wusste er. Doch anders als die anderen gab Barger der Stadt etwas zurück. Er machte sich für erschwinglicheWohnungen stark, bezahlte seine Arbeiter gut und sorgte für seine Leute.«
»Und wie kam es, dass ihm schließlich ein Teil von Breckenridge gehörte?«, fragte Ren.
»Barger war Veteran der Zehnten Gebirgsjägerdivision. Und wie all die anderen auch suchte er nach einer Beschäftigung, als er aus dem Krieg heimkehrte. Diese Männer waren jahrelang ausgebildet worden, ehe sie nach Europa geschickt wurden. Deshalb waren sie in den Bergen praktisch zu Hause. Als sie aus dem Krieg heimkehrten, fanden viele von ihnen Jobs in verschiedenen Urlaubsorten in ganz Colorado.«
»Wann ungefähr war das?«
»Oh, es war schon
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