Weiße Stille
auf.«
»Du hast die ganze Nacht in einer Spelunke festgesessen? So ein Mist«, sagte Robbie.
In Garys Miene spiegelte sich kein Mitleid.
»Warum haben Sie mich denn gesucht?«, fragte Ren.
»Leider interessiert es die Bankräuber nicht, dass wir uns – diemeisten von uns jedenfalls – anderthalb Stunden von Denver entfernt aufhalten. Und es ist nicht besonders angenehm, aus unseren bequemen Betten in Breckenridge geworfen zu werden, um nach Denver zu fahren und die Ermittlungen in dem bisher schlimmsten Raubüberfall aufzunehmen.«
»Das meiste Geld?«, fragte Ren.
»Der brutalste Überfall«, sagte Gary.
»Oh nein.«
Gary nickte. »Es begann gegen acht Uhr gestern Abend. Der Bankdirektor schaute sich mit seiner Frau einen Film an. Plötzlich steht einer der Verbrecher in seinem hübschen blau-gelben Hemd mit ein paar Blockbuster-DVDs in der Hand vor seiner Tür. Es soll so aussehen, als hätte der Bankdirektor etwas vergessen oder als bekäme er eine Lieferung. Als sie die Tür öffnen, stürmen vier nicht maskierte Männer ins Haus. Sie bringen das Paar ins Wohnzimmer und fesseln es, ohne ein Wort zu sagen. Das Paar hat keine Ahnung, was vor sich geht. Es ist kaum zu glauben, aber die Männer haben tatsächlich DVDs mitgebracht, die sie ihnen zeigen wollen. Hardcore-Pornos der übelsten Sorte. Einer der Kerle öffnet eine Sporttasche. Er zwingt die Frau des Bankdirektors, sich hinzuknien und auf den Fernseher zu schauen. Dann nimmt er hinter ihrem Rücken, sodass nur der Ehemann es sehen kann, das ganze Spielzeug aus der Tasche, das in dem Film benutzt wird. Und auf dem Bildschirm spiegelt sich alles, was die Männer tun, sodass die Frau es ebenfalls sehen kann. Inzwischen holt sich eines der anderen Schweine in einer Ecke einen runter. Dann nimmt der erste Typ die Fernbedienung und drückt auf die Pausentaste. Er dreht sich zu dem Ehemann um und sagt: ›Möchten Sie das gerne als Live-Vorstellung sehen?‹ Der Mann sagt vor lauter Entsetzen nicht mal Nein. Der arme Kerl sagt bloß: ›Machen Sie mit mir, was Sie wollen, aber tun Sie meiner Frau bitte nichts.‹«
»O Gott«, stieß Ren hervor. »Das ist ja entsetzlich.«
»Dann lässt der Typ mit der Sporttasche den Kerl, der sich einen runtergeholt hat, mit dem Spielzeug und der Frau allein. Siekönnen sich vorstellen, was passiert ist. Den Ehemann haben sie jedenfalls getötet.«
»Und die Frau?«
»Hat überlebt«, sagte Gary.
»Allmächtiger.« Ren setzte sich an ihren Schreibtisch. »Besteht Hoffnung, dass sie die Dreckskerle identifiziert?«
»Ihre Gesichter, die sich in einem Pornofilm im Fernseher gespiegelt haben? Nicht gerade die idealen Voraussetzungen«, meinte Gary.
»Willkommen im Spiegelkabinett«, sagte Ren. »Und was ist mit der Bank?«
»Sie sind mit dem Direktor zu der Bank gefahren. Er hat aufgeschlossen. Jetzt trugen sie einfache weiße Masken. Sie haben ein paar hundert Riesen erbeutet.«
Ren nickte.
»Auf der Überwachungskamera ist nichts zu sehen«, sagte Gary. »Aber einer von ihnen hat eine Maske am Tatort verloren. Sie wies Speichelspuren auf. Wir lassen sie gerade im Labor untersuchen.«
»Wenn es was bringt«, sagte Colin.
»Wir haben also Masken ohne Bilder«, sagte Ren. »Und Speichel. Als wollten diese Typen sagen: ›Diesmal bekommt ihr kein Verbrecherfoto, dafür Material für eine DNA-Probe.‹ Doch irgendetwas sagt mir, dass die DNA uns keinen Schritt weiterbringt.«
Niemand antwortete ihr.
Ren lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie versuchte, das ungute Gefühl abzuschütteln.
»Okay«, sagte Gary. »Billy Waites …«
»Billy Waites«, sagte Ren. »Das Brockton Filly hat eine sehr günstige Lage für den Durchgangsverkehr, deshalb kehren dort ziemlich viele Leute ein. Wir haben die Interstate 70 nach Breckenridge. Dann geht es auf dem Highway 9 in Richtung Süden am Quandary Peak vorbei, nach Alma und Fairplay. Und dann haben wir noch den Highway 285 zurück nach Denver – praktisch eine Nebenstrecke. Dort stehen Häuser mit riesigem Grundbesitz …«
Alle schauen mich an.
Gary runzelte die Stirn. »Und Billy Waites selbst?«
»Ich glaube, Jean hat ihm vertraut«, sagte Ren. »Er sieht eine Menge, schon wegen der Lage seiner Kneipe. Er könnte sehr nützlich für uns sein. Und er ist ein cleverer Busche, Gary, genau wie Sie gesagt haben. Es wäre gut, ihn auf unserer Seite zu wissen.«
»Glaubst du, er ist auf unserer Seite?«, fragte Colin.
»Auf jeden Fall«, sagte Ren.
Bob Gage
Weitere Kostenlose Bücher