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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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raschen Blick über die Schulter, um sich flüchtig von ihr zu verabschieden.

    Ren stieg in ihren Jeep, zog ihr Handy heraus und wählte Helens Nummer.
    »Können Sie sprechen?«, fragte Ren.
    »Fünf Minuten.«
    Ren schluckte. »Ich habe Mist gebaut.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe mit einem V-Mann geschlafen. Heute Nacht.«
    »Wer ist er?«, fragte Helen.
    »Er arbeitet in einer Kneipe. Ich war in besagter Kneipe, um mit ihm zu sprechen, und dann wurden wir eingeschneit, haben ein paar Cocktails getrunken, und dann …«
    »Er hat doch nicht …«
    »Nein, nein. Er ist ein netter Typ. Ich meine, er ist kriminell, aber …«
    »Er ist kriminell?«
    »Ja. Das sind die meisten V-Männer. Natürlich ist er längst rehabilitiert.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«
    »Nein, aber …«
    »Aber was?«
    »Ich glaube ihm.«
    »Wirklich?«
    »Nein. Ich glaube nicht.« Rens Stimme bebte. »Wissen Sie, wie ich mich fühle? Ich finde ihn einfach toll. Ein umwerfender Typ.«
    »Das höre ich nicht zum ersten Mal von Ihnen.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    »Aber diesmal meine ich es ernst.«
    Helen schwieg.
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Wie oft haben Sie mich das schon gefragt!«
    »Ich weiß, aber ich hoffe immer, dass Sie mir eines Tages eine Antwort geben.«
    Helen lachte. »Es ist jedes Mal dasselbe, Ren. Sie sind eine intelligente Frau. Warum bringen Sie sich immer wieder in solche Situationen? Alkohol ist da sicher nicht hilfreich. Und Stress … aber das wissen Sie ja alles.«
    »Ich weiß es und tue es trotzdem. Und zum ersten Mal kann ich ehrlich behaupten, es wäre auch passiert, wenn ich nichts getrunken hätte. Ich weiß, es gibt Menschen, die niemals in solche Situationen geraten, aber dazu gehöre ich nun mal nicht. Ich wünschte allerdings, es wäre so.«
    »Und hinterher fühlen Sie sich miserabel.«
    »Ich lebe für den Augenblick.«
    »Und anschließend bedauern Sie, was Sie in einem unbedachten Augenblick getan haben. Und dieser kurze Augenblick macht Sie fertig. Sie fühlen sich mies. Und dann …«
    »Nichts dann. Ich genieße den Augenblick viel zu sehr, als dass ich mich von irgendetwas beirren lasse.«
    »Egal, was in Ihrem Leben gerade abläuft?«
    »Genau. Ich lasse mich nicht unterkriegen.«
    »Achten Sie genügend auf sich? Essen Sie ordentlich? Schlafen Sie gut?«
    »Nicht so richtig … Mom.«
    »Das hab ich überhört. Tun Sie mir bitte einen Gefallen. Treiben Sie Sport. Kaufen Sie im Bioladen ein. Gehen Sie früh schlafen. Versuchen Sie, Ordnung in Ihr Leben zu bringen.«
    Ren seufzte.
    »Und lassen Sie das Trinken sein«, riet Helen ihr.
    Ren ließ die Schultern hängen. »Ich werde es versuchen.«
    »Sie müssen sich anstrengen.«
    »Das ist das Motto meines Lebens«, erwiderte Ren. Ren kehrte in den Gasthof zurück, stieg die Treppe zu ihrer Suite hinauf und stellte sich unter die Dusche. Als das Wasser auf ihrenKörper prasselte, gingen ihr tausend Dinge durch den Kopf. Sie fragte sich, ob sie schon eine Spülung in ihr Haar massiert hatte, und wenn ja, ob sie sie ausgespült hatte. Sie fragte sich, ob heißes Wasser wirklich ihre Haut ruinierte. Als sie zehn Minuten unter der Dusche stand, hatte sie plötzlich Gary Dettlings Gesicht vor Augen. In einer Stunde würde sie ihm gegenübersitzen und mit ihm über die Glaubwürdigkeit von Billy Waites sprechen.
    Hängt davon ab, in welcher Beziehung man sich auf ihn verlässt.

36.
    Gary Dettling saß mit dem Rücken zur Tür auf der Kante seines Schreibtisches. Vor ihm hatte sich eine Gruppe Agenten der Rocky Mountain Safe Streets versammelt, die alle ziemlich groggy aussahen. Als Ren eintrat, drehte Gary sich zu ihr um. Er sah noch mitgenommener aus als die anderen.
    »Was ist denn mit euch los, Leute?«, fragte Ren.
    »Und was ist mit Ihnen los?«, fragte Gary.
    »Wieso? Ich dachte, ich sehe gut aus.«
    »Stimmt sogar. Sie sehen aus, als hätten Sie gut geschlafen.«
    »Nein, habe ich nicht.« Rens Blick wanderte von einem zum anderen. »Was ist?«
    »Haben Sie meine Nachrichten denn nicht erhalten?«, fragte Gary. »Haben Sie nicht gehört, dass jemand um Mitternacht mit den Fäusten gegen Ihre Tür gehämmert hat?«
    Rens Puls ging schneller.
    »Nein, haben Sie nicht«, sagte Gary. »Weil Sie nicht da waren.«
    »Ich …« Ich bin eine schlechte Lügnerin. »Ich bin zu Jeans V-Mann gefahren. Dann hat der Schneesturm eingesetzt. Sie haben es vielleicht heute Morgen in den Nachrichten gesehen. Das Unwetter hörte erst gegen sechs Uhr früh

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