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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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geringsten Zweifel hätten.«
    »Ich habe auch noch ein Foto.« Ren reichte es ihm.
    Es war ein Ausschnitt von Jeans linker Schulter mit einem Muttermal.
    Patrick nickte. »Ja, ich erinnere mich. Man konnte das Muttermal im Sommer sehen, wenn sie ärmellose Tops trug.«
    Ren lächelte traurig, als sie eine Plastiktüte aus ihrer Tasche zog. »Ich habe noch etwas für Sie.« Sie reichte ihm die Tüte.
    Patrick schüttelte den Kopf. »Mein Gott. Ja, das gehört Jean. Das ist ihr brasilianisches Glücksarmband.« Er nahm es aus der Tüte. »Man wünscht sich drei Dinge, macht drei Knoten hinein und trägt das Armband am Handgelenk, bis es von alleine abfällt. Dann erfüllen sich alle Wünsche, heißt es. Jean hat es über ein Jahr getragen, versteckt unter ihrem Uhrenarmband. Sie konnte gar nicht glauben, dass es immer noch an ihrem Handgelenk hing …« Er starrte auf die sauber abgeschnittenen Enden. »Ich nehme an, Sie haben es abgeschnitten …« Er verstummte kurz. »Ich frage mich, was das bedeuten mag.« Patrick steckte es in die Plastiktüte und gab sie Ren zurück. »Jedenfalls haben das schreckliche und die quälende Ungewissheit ein Ende. Endlichhaben wir Klarheit. Aber jetzt muss ich mit meinen Gefühlen fertig werden.«
    »Daddy?«
    Beide drehten sich um, als ein hübsches kleines Mädchen das Zimmer betrat.
    »Du musst Amber sein«, sagte Ren. Irgendetwas an der Kleinen war ihr auf seltsame Weise vertraut.
    Amber nickte.
    »Das ist Ren Bryce«, sagte Patrick. »Sie arbeitet beim FBI, genau wie Tante Jean.«
    »Oh, hallo«, sagte Amber.
    Ren war fasziniert von den braunen Augen des Mädchens, in denen etwas lag, was sie nicht beschreiben konnte.
    »Darf ich ein Glas Saft trinken, Daddy?«
    »Natürlich, mein Schatz.«
    Amber öffnete den Kühlschrank und nahm einen kleinen Karton Apfelsaft heraus. »Verzeihung, Ma’am …«, sagte sie.
    »Ja?«
    »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Tante Jean sich nicht wohlgefühlt hat an dem Tag, als wir den Einkaufsbummel in Breckenridge gemacht haben … an dem Tag, ehe sie gestorben ist. Wir mussten früher nach Hause fahren …«
    »Das tut mir leid«, sagte Ren.
    Amber nickte. »Es hatte Spaß gemacht, und ich wollte nicht früher wegfahren, deshalb war ich knatschig …« Sie warf ihrem Vater einen schuldbewussten Blick zu.
    »Deine Tante hatte bestimmt Verständnis dafür, dass du sauer warst, weil ihr früher nach Hause gefahren seid. Vor allem, weil sie den ganzen Tag mit dir verbringen wollte. Darum hatte sie ja dich eingeladen. Ich wette, sie hat dich sehr lieb gehabt.«
    »Ja«, sagte Amber verlegen und verschwand.
    »Ein hübsches Mädchen«, sagte Ren.
    »Ja.« Patrick blickte seiner Tochter lächelnd hinterher. »Verzeihung, wo waren wir stehen geblieben?«
    »Ich wollte Ihnen sagen, dass alle Kollegen Ihre Schwester sehr gemocht und respektiert haben. Niemand hat je ein schlechtes Wort über Jean verloren. Jean hat Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder sehr geliebt. Überall hingen Fotos von Ihnen.«
    Hoffentlich helfe ich ihm damit ein bisschen.
    Patrick streckte den rechten Arm und drückte Rens Hand. Sie spürte, dass er Mühe hatte, etwas zu erwidern.
    »Danke«, sagte er schließlich.

53.
    Es war elf Uhr abends, als Ren das Brockton Filly erreichte. Sie ging über den Parkplatz. Dröhnende Musik war zu vernehmen. Als Ren vor dem Eingang der Kneipe stand, sah sie das Schild über der Tür: Offenes Mikro für alle!
    Sie ging hinein und bahnte sich einen Weg durch die Menge – ein jüngerer, wilderer Haufen als die nörglerischen alten Säufer, die ihr beim letzten Mal den Nerv geraubt hatten. Billy Waites hatte das Brockton Filly völlig umgekrempelt.
    Die Kneipe war gut besucht. Ren suchte sich einen Platz an der Theke, wo jedoch niemand zu bedienen schien. Sie stützte einen Ellbogen auf den Tresen und wandte sich der Tanzfläche zu. Eine junge Frau auf einem Barhocker, die auf einer E-Gitarre improvisierte, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Soeben verklangen die letzten Töne.
    »Gott sei Dank«, sagte Billys Stimme.
    Ren erstarrte und drehte sich langsam um. Doch Billy sprach nicht mit ihr. Er beugte sich zu einer Blondine vor, die zwei Plätze von ihr entfernt saß. Bei Billys lange vermisstem Anblick bekam Ren weiche Knie. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie hatte keinen Drink, den sie herunterkippen konnte, nichts, woran sie sich festhalten konnte, damit ihre Hand zu zittern aufhörte.
    Billy hob den Blick, sah Ren, wandte sich von der Blondine ab

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