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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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wie sie sich bewegt hat, aber sosehr ich diesen Augenblick hinaufbeschwöre, so wenig bewegt sich der Becher. Darauf steht unverändert vor glänzend braunem Hintergrund Amherst Trucking: Wir stemmen was.
    » Was machst du da? « , fragt Großvater. Ich zucke zusammen und schütte mir Kaffee übers Hemd. Er will mir das Telefon geben. » Philip. Für dich. Du hast etwas liegen lassen. «
    Ich schüttele den Kopf.
    » Nun nimm schon « , sagt Großvater gereizt, und da mir keine Ausrede einfällt, greife ich zum Hörer.
    » Ja? «
    » Was hast du mit ihr gemacht? « Seine Stimme ist belegt vor Wut und etwas anderem. Panik.
    » Mit wem? « , frage ich.
    » Mit Maura. Sie ist weg und sie hat meinen Sohn mitgenommen. Sag mir, wo sie ist, Cassel. «
    » Ich? « Letzte Nacht hat er zugesehen, wie Barron mich in den Bauch trat, bis ich ohnmächtig wurde, und heute beschuldigt er mich, hinter Mauras Flucht zu stecken? Vor Wut kann ich nicht mehr klar sehen. Ich umklammere das Telefon so fest, dass ich Angst habe, das Gehäuse zu zerbrechen.
    Er sollte sich bei mir entschuldigen. Er sollte mich anflehen.
    » Ich weiß, dass du mit ihr geredet hast. Was hast du ihr erzählt? Was hast du mit ihr gemacht? «
    » Oh, das tut mir aber leid « , sage ich mit eiskalter Wut. » Ich kann mich nicht erinnern. « Ich lege auf und genieße meine kleine Rache so sehr, dass ich erst im nächsten Augenblick merke, wie unfassbar dumm ich gerade gewesen bin.
    Aber mir fällt auch wieder ein, dass ich nicht mehr Cassel Sharpe, der kleine Bruder und Rundum-Versager bin, sondern einer der mächtigsten Werker eines der seltensten Flüche.
    Ich werde nicht mit Lila die Stadt verlassen. Ich gehe nirgendwohin. Sie sollen Angst vor mir bekommen.
    Eine Stunde später geht Großvater einkaufen und fragt mich, ob ich etwas brauche. Als ich sage, dass ich alles habe, bittet er mich, ein paar Sachen einzupacken.
    » Wozu das denn? « , frage ich.
    » Wir machen einen Ausflug nach Carney « , sagt er.
    Ich nicke, streiche sanft über meine Rippen und sehe zu, wie er losfährt.
    Lila sitzt auf dem Esstisch inmitten der Berge von Zetteln, Kleidung und Tellern. Sie starrt mich an und frisst gleichzeitig. Beim Näherkommen entdecke ich ein Stück Speck; das Fett saugt sich in einen Schal.
    » Hat Großvater dir das gegeben? « , frage ich.
    Sie setzt sich auf die Hinterbeine und leckt sich das Maul.
    Mein Handy klingelt. Auf dem Display steht Daneca.
    » Du bist ihr entwischt « , sage ich. » Bist du wirklich den ganzen Weg gelaufen? «
    Als Lila gähnt, zeigt sie ihre Reißzähne.
    Ich weiß, ich muss sie verwandeln, ehe Großvater wiederkommt. Bevor mir die Rippen wieder wehtun und ich mich nicht mehr konzentrieren kann.
    Wenn ich bloß wüsste, wie es geht!
    Ihre Augen glänzen, als ich auf sie zugehe.
    Auf mir lastet ein Fluch. Ein Fluch, den nur du brechen kannst.
    Ich lege die Hand auf ihr Fell. Ihre Knochen fühlen sich leicht und zerbrechlich an, wie Vogelknochen. Ich denke an den Augenblick, in dem sich der Pistolenlauf in Schuppen verwandelte, und versuche, den Impuls heraufzubeschwören, der diese Veränderung bewirkt hat.
    Nichts.
    Ich stelle mir Lila vor, stelle mir vor, wie die Katze immer länger wird und zu einem Mädchen heranwächst. Dabei wird mir klar, dass ich gar nicht weiß, wie Lila jetzt aussehen würde. Ich verdränge den Gedanken und stelle mir eine Mischung aus dem Mädchen, das ich kannte, und dem Mädchen aus meinem Traum vor. Näher werde ich der Sache nicht kommen.
    Ich male mir aus, wie sie sich verwandelt, versuche, das Bild zu erzwingen, bis ich vor Konzentration zittere, aber sie verwandelt sich nicht.
    Die Katze knurrt tief in der Kehle.
    Ich ziehe einen Stuhl vom Esstisch, lasse mich rittlings darauffallen und lege die Stirn an die Lehne aus Holz.
    Die Pistole habe ich verwandelt, ohne darüber nachzudenken. Das war purer Instinkt. Es kommt mir vor wie eine Art Muskelgedächtnis, als ob ich zu diesem Teil meines Gehirns nur Zugang hätte, wenn jemand, den ich mag, in Gefahr ist.
    Ich bin schon oft wütend gewesen, aber ich habe noch nie aus Versehen meine Handschuhe in Blätter verwandelt oder irgendwen in irgendwas. Mit Gefühlen hat es also nichts zu tun.
    Ich denke an die Ameise, von der Barron behauptet, ich hätte sie nicht in einen Stock verwandelt. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie es wirklich war.
    Ich lasse den Blick durchs Esszimmer schweifen. Das Schwert, das ich beim Aufräumen im Wohnzimmer gefunden

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