Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

mich zu bearbeiten.
    Barron.
    Er ist der Gedächtniswerker. Er hat Mauras Erinnerungen gefälscht. Und meine.
    Mein Magen krampft sich zusammen, und ich wälze mich behutsam auf die Seite, weil ich Angst habe, mich zu erbrechen und daran zu ersticken. Benommen entdecke ich die weiße Katze auf einem Haufen gewaschener Wäsche. Ihre Augen sind schmale Schlitze.
    » Was machst du denn hier? « , flüstere ich. Meine Stimme klingt, als steckten Glassplitter in meiner Kehle.
    Sie steht auf, streckt die Pfoten und knetet den Pullover, auf dem sie gelegen hat. Wie kleine Nadeln vergräbt sie ihre Krallen in dem Stoff und macht einen Buckel.
    » Hast du gesehen, wie sie mich hergebracht haben? « , krächze ich.
    Ihre rosafarbene Zunge schnellt über ihre Nase.
    » Hör auf mit dem Scheiß « , sage ich.
    Sie kauert sich hin und springt dann plötzlich aufs Bett. Ich stöhne wieder vor Schmerz. » Ich weiß, was du bist « , sage ich. » Ich weiß, was ich dir angetan habe. «
    Nur du kannst den Fluch wieder aufheben. Natürlich.
    Ihr Fell schmiegt sich weich an meinen Arm, ich strecke die Hand nach ihr aus. Sie erlaubt mir, ihren Rücken zu streicheln. Ich habe gelogen. Ich weiß nicht, was sie ist. Ich glaube zu wissen, wer sie war, aber ich bin nicht mehr sicher, was sie jetzt ist.
    » Ich weiß nicht, wie ich dich zurückverwandeln soll « , sage ich. » Ich habe herausgefunden, dass ich dich verwandelt habe. Das habe ich verstanden. Aber ich habe keine Ahnung, wie. «
    Als sie sich versteift, drehe ich mich um und vergrabe das Gesicht in ihrem Fell. Ich spüre die rauen Ballen ihrer Pfoten. Die winzigen Krallen kratzen auf meiner Haut.
    » Ich habe kein Traumamulett « , sage ich. » Nichts an mir hält dich davon ab, mich zu bearbeiten. Du kannst doch meine Träume bestimmen, oder? Wie den mit dem Unwetter und den mit dem Dach. Wie damals, bevor du eine Katze warst. «
    Sie schnurrt grollend wie ferner Donner.
    Ich schließe die Augen.
    Als ich aufwache, habe ich immer noch Schmerzen. Ich liege in einer Blutlache, in der ich bei dem Versuch aufzustehen ausrutsche. Philip, Barron, Anton und Lila beugen sich zu mir hinab.
    » Er kann sich an nichts erinnern « , sagt Lila, das Mädchen. Wenn sie lächelt, werden ihre Eckzähne zu scharfen Spitzen. Sie sieht älter aus als vierzehn. Schön und schrecklich sieht sie aus. Ängstlich weiche ich vor ihr zurück.
    Sie lacht.
    » Wer ist verletzt? «
    » Ich « , antwortet sie. » Weißt du nicht mehr? Ich bin gestorben. «
    Ich komme auf die Knie und merke, dass ich in Wallingford auf der Bühne stehe. Allein. Der schwere blaue Vorhang ist zugezogen, aber ich meine, auf der anderen Seite eine aufgeregte Menge zu hören. Als ich nach unten sehe, ist die Blutlache verschwunden, aber eine Falltür steht offen. Ich richte mich mühsam auf, rutsche aus und falle geradezu in den Schacht.
    » Du musst in die Maske « , sagt jemand. Ich drehe mich um. Es ist Daneca in schimmernder Rüstung, die mit einer Puderquaste auf mich zustürmt. Sie schlägt mir damit ins Gesicht. Eine Staubwolke steigt auf.
    » Ich träume « , sage ich laut, aber das hilft weniger, als ich dachte. Ich öffne die Augen und befinde mich nicht mehr in Wallingford auf der Bühne, sondern im Gang eines prächtigen Theaters. Die holzgetäfelten Wände sind staubig, der Teppich rot. Von den Lüstern tropfen Kristalle und die Stuckdecken sind mit goldenen Fresken bemalt. In den Logen vor der Bühne fächeln bekleidete Katzen einander Luft zu, winken mit dem Programm und miauen. Ich drehe mich um meine eigene Achse, immer weiter, und einige von ihnen sehen in meine Richtung. Das Licht spiegelt sich funkelnd in ihren Augen.
    Ich taumele in eine leere Reihe und setze mich in dem Moment, in dem der dunkelrote Vorhang aufgeht.
    Lila betritt die Bühne in einem langen viktorianischen Kleid mit Perlenknöpfen, gefolgt von Anton, Philip und Barron. Jeder der drei trägt ein Kostüm aus einer anderen Epoche. Anton steckt in einem violetten Anzug mit enger Hose und wattierten Schultern, dazu trägt er einen riesigen Federhut. Philip wirkt mit Wams und Halskrause wie ein Lord aus dem Elisabethanischen Zeitalter, während Barron eine lange schwarze Robe anhat. Ich weiß nicht, ob er einen Priester oder einen Richter darstellen soll.
    » Sehet « , sagt Lila und legt den Handrücken an die Stirn. » Ich bin ein junges Mädchen, das sich gern dem Vergnügen hingibt. «
    Barron verbeugt sich tief. » Wie es der Zufall will, kann