Weißer Mond von Barbados
ich zurück.«
»Nein«, er hob die Hand, »nein, bitte nicht. Friedliche Koexistenz, das ist heute üblich. Bitte, erklären Sie mir nicht den Krieg.«
Und dazu sein Blick, blitzend vor Spott, doch auch voll Wärme, fast ein wenig zärtlich. Ein Blick, dem man nicht entgehen konnte, in dem man sich verfing.
»Ich habe nie jemandem den Krieg erklärt«, sagte sie. »Ich bin gar nicht kriegerisch veranlagt. Ich gehöre zu den Leuten, die lieber wegrennen.«
»Ach«, meinte Sverdlov, »das glaube ich nicht einmal. Sie wären vermutlich eine tapfere und außerdem noch schöne Kämpferin für den Kapitalismus.«
Es war das erste Mal, daß er sie richtig lachen sah.
Das Mittagessen bekamen sie an dem aquamarinblauen Swimmingpool serviert. Er blieb beim Whisky, für Judith bestellte er Wein, den sie eigentlich gar nicht haben wollte. Es war sehr heiß. Vorübergehend schlief sogar die leichte Brise ein, die sonst die Hitze erträglich machte, die Luft war schwer und brütend. Es wurde leer im Patio, die meisten Leute zogen sich zu einem Mittagsschlaf in ihre Bungalows zurück. Nur zwei Kinder spielten im lauen Wasser des Pools.
Plötzlich wurde Judith müde. Der Rum, der Wein, die Hitze … ihr Kopf war wie Blei.
»Ich muß mich hinlegen, ich bin todmüde«, sagte sie.
Er stand auf und streckte ihr wieder die Hand hin. »Es tut mir so leid wegen der Schuhe«, fing er noch einmal an. »Werden Sie heute mit mir zu Abend essen?«
»Nur wenn Sie mir versprechen, nicht mehr von diesen blöden Schuhen zu reden.«
»Ich verspreche es. Ich werde Sie an meinem Tisch erwarten. Es sei denn, Sie wollen lieber ein paar nette Bekanntschaften an der Bar machen …? Da sind so ein paar vergnügte Kanadier, die würden Sie sicher gern zu einem Drink einladen.«
»Sicher«, sagte Judith. »Aber ich komme ins Restaurant.«
Er sah ihr nach, als sie ging. Wie sie die kleine Treppe zu den Bungalows hinaufstieg. Am liebsten wäre er ihr gefolgt, aber er blieb sitzen.
Die Mutter der beiden Kinder vom Swimmingpool hob schläfrig den Kopf aus dem Liegestuhl und blickte Judith Farrow ebenfalls nach. Ihr Mann, der eben heruntergekommen war, ließ sich ächzend im Liegestuhl an ihrer Seite nieder und begann Sonnenöl über seinen dicken Wanst zu streichen.
Sverdlov zog sein Hemd aus und ging in die Sonne, setzte sich auf eine Bank, lehnte den Kopf an eine Palme und schloß die Augen.
Kein Zweifel, sie gefiel ihm, diese Engländerin. Eine intelligente Frau mit Haltung. Die Distanz, die sie zu wahren suchte, amüsierte ihn gleichzeitig wie sie ihm gefiel.
Das Ganze war eine Versuchung, den Feind herauszufordern und zu besiegen.
Feind? Er öffnete für eine Sekunde die Augen. Eine hübsche Frau. Er hatte das Gefühl, er könnte sich in sie verlieben. Warum also dachte er: Feind? Freilich, so würde Golitsyn es ansehen. Für den waren alle Westmenschen, egal ob Mann oder Frau, Feinde.
Komisch, daß er jetzt an Golitsyn dachte. Seit heute morgen, seit er mit dem Mädchen zum Schwimmen gegangen war, hatte er an niemanden gedacht außer an das Mädchen. Nicht an Golitsyn, nicht an seine Arbeit. Auch nicht an seine Frau.
Das kanadische Ehepaar döste unter den Sonnenschirmen dahin. Die Kinder lärmten am Swimmingpool. Sverdlov ging langsam hinunter zum Strand, zog sich aus, ging ebenso langsam ins Meer hinein und begann zu schwimmen.
Der Kanadier hatte ihn beobachtet. »Hast du die beiden beim Lunch gesehen?«
»Natürlich«, sagte seine Frau, ohne die Augen zu öffnen.
»Hat nicht lange gedauert, bis sie sich gefunden haben.«
»Yeah«, antwortete sie.
2
»Rachel, wenn du dich nicht beeilst, werden wir zu spät kommen.«
Richard Paterson versuchte, seine Nervosität zu bezwingen. Sie gingen an diesem Abend zu einem Empfang der Französischen Botschaft, und seine Frau brauchte wie immer Stunden, um fertig zu werden. Das war ein Zug an ihr, der ihn jedes Mal wütend machte. Seiner Meinung nach war es nicht nur unhöflich, sondern verriet einen Mangel an Haltung, wenn man zu spät kam.
Er stand unter der Schlafzimmertür und sah ihr zu. Sie bückte sich über der aufgezogenen Schublade einer Kommode, in der sie etwas suchte, und lächelte ihn über die Schulter hinweg an. Sie war ein hübsches Mädchen, blond, mit frischer Haut, ein durch und durch englischer Typ. Am besten stand ihr sportliche Kleidung. Dagegen passten Abendkleider irgendwie nicht zu ihr. Zusätzlich hatte sie noch eine unglückliche Liebe für verspielte,
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