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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Sie sich um meine Füße Sorgen machen. Es tut mir leid, daß ich vorhin unhöflich war.«
    Er war nicht das, was man landläufig einen gutaussehenden Mann nannte, dieser ironische Zug um seinen Mund gab seinem Gesicht eine leichte Bitterkeit. Aber das änderte sich, wenn er lächelte wie jetzt.
    »Sie waren nicht unhöflich«, sagte er. »Sie ließen mich nur wissen, daß ich zudringlich war. Ich habe es verstanden. Hier kommt der Kaffee. Kann ich drei Löffel Zucker haben, bitte?«
    Sie lächelte. »Sie haben eine süße Zunge.«
    Langsam begann sie sich an seine Gegenwart zu gewöhnen, mehr noch, sie fühlte sich wohl dabei. Nur dieser Anflug von Autorität, mit dem er zuvor gesprochen hatte, war auf ihren Widerspruch gestoßen. Aber es war wohl so seine Art. Offenbar war er es gewöhnt, Befehle zu erteilen.
    »Was machen Sie in der Botschaft?«
    »Ich bin Militärattaché. Ich arbeite bei General Golitsyn. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Während er ihre Frage beantwortete, hatte er aufs Meer hinaus geblickt, doch jetzt sah er sie an, und seine hellen grauen Augen hatten wieder diesen direkten eindringlichen Blick, dem man sich schwer entziehen konnte.
    »Nein«, sagte Judith. »Sollte es das?«
    »Er ist seit drei Jahren in Amerika. Und Sie sagten doch, Sie kennen Washington.«
    »Nur wenig. Ich kenne jemanden, der dort lebt beziehungsweise dort arbeitet. Ich selbst war einige Male zum Wochenende dort und habe Bekannte besucht. In diplomatischen Kreisen habe ich nie verkehrt.«
    »Das ist auch nicht besonders interessant«, sagte Sverdlov und trank einen Schluck von seinem Kaffee. »Es sind immer dieselben Gesichter. Ich hätte Sie bestimmt wieder erkannt, wenn ich Sie dort einmal gesehen hätte. Was machen Sie bei den Vereinten Nationen? Oder ist Ihre Arbeit Geheimsache, darf ich nicht danach fragen?«
    Die Frage war begleitet von dem ironischen Lächeln, das sie nun schon kannte. Er schien ihre Gedanken gelesen zu haben, sie errötete.
    »Mein Chef ist Sam Nielson vom Internationalen UN-Sekretariat. Ich bin seine Sekretärin. Da ist gar nichts Geheimnisvolles dabei.«
    »Ich kenne ihn«, sagte Sverdlov. »Er ist Kanadier, ein geschickter Mann. Er kann Ihnen beweisen, daß rechts links und links rechts ist.«
    »Er ist der unparteiischste Mann, den ich kenne«, sagte sie, bemüht, Nielson zu verteidigen.
    »Glauben Sie wirklich, daß es möglich ist, ganz unparteiisch zu sein?«
    »Es ist eine absolute Notwendigkeit bei seiner Arbeit. Sam würde niemals Partei ergreifen.«
    »Sie sind eine sehr loyale Mitarbeiterin«, meinte Sverdlov.
    Sie hatte den Eindruck, er machte sich lustig über sie.
    »Wollen Sie eine russische Zigarette?« fragte er.
    »Nein, danke.«
    »Ich schwöre Ihnen, sie sind nicht präpariert.«
    Sein Spott ärgerte sie. Sie hob die Schultern und sagte kühl: »Na gut, wenn Sie mir versprechen, daß ich nicht in Sibirien aufwache …«
    »Oder als Gefangener des KGB«, setzte er hinzu. »Wenn ich jetzt verschwinde und Sie in Ruhe lasse, werden Sie dann mit mir zusammen Mittag essen?«
    »Nun«, meinte Judith zögernd, »wenn Sie wollen …«
    »Es wäre eine große Freude für mich.«
    Er stand auf, machte eine kleine Verbeugung und schüttelte ihr die Hand. »Ich werde Sie an der Bar erwarten.«
    Sie lag reglos in der Sonne, obwohl es eigentlich zu heiß dazu war, und rauchte die letzten Züge dieser seltsam bitter schmeckenden Zigarette. Das war schon eine komische Situation. Er war der erste Sowjetrusse, den sie je kennen gelernt hatte.
    Militärattaché in Washington. Sicher kannte er Richard Paterson. Sie mußte sehr vorsichtig sein mit allem, was sie sagte. Jetzt, als er weg war, tat es ihr leid, daß sie zugesagt hatte, mit ihm zu essen.
    Die Schuhe, die er mitbrachte, passten nicht. Als sie vom Strand heraufkam, wartete er bereits an der Bar, in der Hand einen Papierbeutel.
    »Bitte sehr«, sagte er. »Probieren Sie. Heute nachmittag können wir ungeniert über die Korallen steigen.«
    Judith sah schon in der Hand, daß die Schuhe zu groß waren. Sie probierte nur einen an.
    »Wie dumm von mir!« rief er. »Es sollte eine Überraschung sein. Aber ich hätte Sie nach Ihrer Schuhnummer fragen müssen. Außerdem gefallen sie mir sowieso nicht. Heute nachmittag werde ich sie umtauschen. Tut mir leid.«
    »Bitte«, sagte Judith, »bitte, bemühen Sie sich doch nicht. Es ist so lieb von Ihnen, daß Sie extra in die Stadt gefahren sind. Und ich lasse es auf keinen Fall zu, daß Sie noch

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